Delta Junction – Moose Patrol

07.07. – 10.07.2014

An dem Morgen als wir in Fairbanks abfuhren, hatte ich noch kurz meine E-Mails gecheckt und dabei glücklicherweise gerade noch rechtzeitig die Nachricht von Gail aus Anchorage erhalten. Sie fragte uns, ob wir durch die Stadt Delta Junction kommen, sie haben dort Freunde, die sie nach einem Unterschlupf für uns fragen könnten. Da unsere Route dies vorsah, sagten wir gerne zu. Gail übermittelte uns noch schnell die Kontaktdaten mit dem Hinweis dass wir innerhalb der nächsten Woche einfach vorbeifahren könnten. Vielen Dank noch mal Gail für diese ausgezeichnete Idee und die Vermittlung zu Cheryl & Gary!

Der Richardson Highway von Paxson nach Delta Junction war uns vertraut. Hier sind wir schon einmal auf dem Weg nach Fairbanks vom Wrangell St. Elias NP entlanggefahren. Diese etwas eigenartige Streckenführung durch Alaska ergab sich aus der damals schlechten Wetterprognose für den Denali NP. Für den Besuch des Denali war es die richtige Entscheidung.

In Delta Junction angekommen suchen wir die Straße, in der Cheryl & Gary wohnen. Unser Navigationssystem hat die Adresse jedenfalls nicht. Das Nachfragen in zwei Tankstellen ergab auch nicht mehr als „irgendwo in diese Richtung“. Wir waren kurz davor einfach umherzufahren und die Straße zu suchen. In einer 3000 Einwohner Stadt kann das ja nicht so schwer sein. Wir kannten Delta Junction noch nicht. Das Straßensystem des Ortes verteilt sich über ein Gebiet von mindestens 20 mal 20 Meilen. Da kann man mit der Methodik „Umherfahren und hoffen“ lange unterwegs sein. Zum Glück hatte Stephan doch noch Offline-Kartenmaterial auf dem Handy gefunden, wo wir durch umherschieben und zoomen die Straße fanden. Nach 16 Kilometern waren wir da. Welches ist nun das richtige Haus? Die Hausnummern sind vierstellig und folgen keiner Logik. Also fahren wir die Schotterpiste hoch und runter und können uns schließlich zum richtigen Haus durchfragen.

Cheryl und Gary hießen uns herzlich Willkommen und boten uns einen Schlafplatz in ihrem Gästeraum an. Da es schon recht spät war, verschoben wir das kennenlernen auf den nächsten Tag. Cheryl zauberte ein ausgezeichnetes Rührei mit Wurst und dazu gab es selbst gemachtes „Monkey Bread“, eine Art Kuchen mit Zimt und viel Zuckerguss – genau das richtige für zwei ausgehungerte Reisende. Die beiden boten uns an, doch noch einen Tag zu bleiben, damit wir uns die Umgebung anschauen können. Das Angebot nehmen wir gerne an und entscheiden uns für eine Wanderung am Quartz Lake. Wir fahren gemeinsam auf einem Motorrad die 20 Meilen bis dort hin, so können wir etwas Sprit sparen.

Wir wurden gewarnt: der erste Teil des Weges wird von wilden blutrünstigen Bestien belagert. So war es dann auch. Bloß nicht anhalten, sonst dient man sofort als Selbstbedienungs-Getränkestation für die Moskito Schwärme. So sozial sind wir aber nicht. Jeder Versuch gratis unseren kostbaren Lebenssaft zu schlürfen, wird mit dem Tod durch Erschlagen bestraft. Nach einem steilen Anstieg stehen wir am Bluff Point – ich weiß nicht woher der Name kommt, aber man ist tatsächlich etwas verblüfft von der grandiosen Aussicht. Eine Gebirgskette erstreckt sich fernab über den gesamten Horizont. Über uns scheint die Sonne und in der Ferne können wir lokale Niederschläge beobachten, die von Süd nach Nord ziehen. Unter unseren Füßen befinden sich zwei kleinere Seen die zu großen Teilen von Seerosenblättern bedeckt sind. Die freien Wasseroberflächen glitzern in der Sonne. Am anderen Ufer wächst saftiges grünes Gras. Vom Ufer bis zu den Bergen erstreckt sich eine riesige waldbewachsene Ebene in einem Mix aus verschiedenen Grüntönen. Wir setzen uns auf die einzige vorhandene Bank und starren abwechselnd in die Ferne und auf die Seen. So verbringen wir fast anderthalb Stunden. In der Zeit werden wir von Libellen und Grashüpfern umzingelt. Das ist gut so, denn sie sind die natürlichen Feinde von Moskitos. Stephans Hemd dient dabei gelegentlich als Landestation für besonders große Libellen. Auf der ausgedruckten Wanderwegbeschreibung, die uns Gary mitgegeben hatte, stand sogar der Name des kleinen Sees vor uns: „Moose Pond“, was soviel heißt wie „Elch Teich“. Nun wäre es mal Zeit, einen Elch zu sehen, denke ich mir. Keine 3 Minuten später entdecken wir entfernt eine Elchkuh mit ihrem Kalb, die ganz in der Nähe eines Biberbaus grasen. Nach kurzer Weile taucht die nächste Elch-Dame am Ufer auf und nimmt vor unseren Augen ein halbstündiges Bad. Nur noch die lange Schnauze und die wackelnden Ohren schauen heraus. Wenig später höre ich ein lautes Platschen. Nee, oder? Ich gehe einen kleinen Pfad weiter um die Ecke und beobachte einen Elchbullen mit ordentlichem Geweih, wie er sich im benachbarten Gewässer vergnügt. Dahinter erblicke ich zu meinem Erstaunen noch ein Mutter-Kind Paar am Waldrand und als sei dies nicht genug, erspähen wir irgendwo dazwischen noch eine weitere Elchkuh mit Kalb. Nein, es sind nicht die gleichen wie von eben – wir sehen zum Gleichen Zeitpunkt acht Elche. Ein neuer Rekord – das entspricht der gleichen Anzahl an Toren die an diesem Tag in dem Fussball-Halbfinalspiel zwischen Deutschland und Brasilien gefallen sind. Für uns ist dieser Anblick jedenfalls ebenfalls ein Wunder.
Am Abend nimmt uns Gary noch mit auf „Moose Patrol“ (Elch Patrouille). Wir gleiten im Kanu durch die Abendsonne und erspähen immerhin noch zwei Elche im Wasser und am wilden Ufer. Es ist ein schöner Ausklang dieses ereignisreichen Tages.

Am nächsten Morgen packen wir unsere Sachen und wollen zur Weiterreise aufsatteln. Irgendwie sieht mein Hinterradreifen komisch aus. Das kann doch nicht wahr sein: schon wieder ein Platten. Wir sagen Gary und Cheryl schon mal Bescheid, dass sie uns innerhalb der nächsten 2 Stunden nicht loswerden. Na gut, es gibt schlimmere Orte, wo einem das passieren kann, als bei netten Leuten mit Garage und Kompressor. Also ran an den Gummi. Schon wieder dieser dämliche alte Flicken. Die Luftblase hat sich weitergearbeitet und auch den Rand des zweiten Flickens erreicht. Unsere Reparatur bei Denali war also nichts mehr als ein paar billig erkaufte Kilometer. Diesmal machen wir es richtig: alle Flicken sorgfältig abgeschabt und einen großen neuen Flicken drauf. Es sieht perfekt aus. Wir pumpen den Schlauch auf und wollen ihn gerade montieren, als wir bemerken, dass der Schlauch immer noch Luft verliert. Trotz ausreichender Trockenzeit der Vulkanisierpaste und Anpressen des Pads, lässt es sich wie ein aufgeweichtes Pflaster ablösen. Was nun, mit der gleichen Methode werden wir wohl keinen Erfolg haben. Wir kramen den Ersatzschlauch raus, um diesen zu montieren. Wir trauen unseren Ohren nicht, als wir nach der Montage ein Zischen im Reifen hören. Das kann doch nicht wahr sein. Schon wieder müssen wir den f* Reifen von der f* Felge runterholen und den f* Schlauch da rauspopeln. Eben noch hatte ich mir die Hände gewaschen. Bei der Montage haben wir ein kleines Loch in den Schlauch gequetscht – sowas passiert schon mal. Doch womit sollen wir das Loch jetzt stopfen, wenn unser Flickmaterial nichts mehr taugt? Etwas verzweifelt lassen wir uns erstmal zum Mittagessen überreden. Gary, der schon etwas Mitleid mit uns hat, ruft in der Umgebung bei diversen Reifenhändlern an und erkundigt sich nach 17 Zoll Schläuchen. Wir haben Glück. Der Besitzer einer Autoteilekette fährt selbst Motorrad und würde uns seinen Ersatzschlauch für $22 verkaufen. Gary fährt uns in die Stadt und dort geben wir zusätzlich den alten Schlauch in einer kleinen Werkstatt zur Reparatur ab. Wir kommen also frohen Mutes mit einem neuem und einem repariertem Schlauch wieder. Wir entscheiden uns den reparierten Schlauch zu montieren, da dieser ein dickerer Motorcross-Schlauch ist. Die Flicken sind so groß, da kann nichts mehr schief gehen. Wir pumpen ihn auf und halten ihn vorsichtshalber unter Wasser. Die aufsteigenden Luftblasen lassen uns innerlich weinen. Genervt von kaputten Schläuchen montieren wir doch den neuen Schlauch. Am nächsten Morgen repariert uns der Werkstattarbeiter den Schlauch kostenfrei erneut. Dieser wird nun unser Ersatzschlauch – hoffentlich brauchen wir ihn nicht.
Eine gute Sache hatte dieser Zwischenfall jedoch: wir blieben noch einen Tag länger bei Cheryl & Gary und verbringen einen schönen Abend mit den beiden und kommen nochmals in den Genuss des köstlichen Rhabarberkuchen von Cheryl.

 

 

 


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