Wrangell – St. Elias Nationalpark

Am Mittwoch (18. Juni) machen wir uns, nachdem wir uns ausgiebig bei unserer Gastfamilie verabschiedet haben, auf den Weg zum Wrangell – St. Elias Nationalpark, dem größten Nationalpark der USA. Es fiel uns wirklich nicht leicht Gail, Tim und Ann zu verlassen, denn eigentlich hätten wir noch viel mehr gemeinsam unternehmen können.  Zum Glück besteht die Möglichkeit die Drei in den „lower 48s“ (USA ohne Hawaii und Alaska) wiederzusehen. Wir sind selbst gespannt ob wir das hinbekommen.

Von nun an ging es schnurstracks auf dem Glenn Highway gen Osten. Auf gut ausgebauten Straßen konnten wir schnell viele Kilometer  hinter uns bringen, wenn auch die Landschaft eigentlich immer wieder schöne Fotomotive hergeben hat. Diesen Konflikt zwischen „Strecke zurücklegen“ und Fotografieren haben wir oft. Hinter fast jeder Kurve taucht eine neue grandiose Szene auf, doch jedes Mal anhalten, Helm und Handschuhe ausziehen, Kamera aus dem Tankrucksack holen usw., das ist dann doch manchmal zu viel. Bei einem kurzen Tankstopp in Glennallen, unterhielten wir uns unter anderem mit einen KTM Adventure Fahrer. Diese Bikes sind hier eher selten anzutreffen, genau wie unsere Teneres. Eigentlich gibt es hier nur BMWs oder Harleys. Unsere Zweiräder gehören eher zu den Exoten und sorgen nahezu bei jedem Stopp für kurze Gespräche (Woher? Wohin? Was für Bikes? Wie lange? …) So kommen wir jedenfalls immer schnell in Kontakt mit den Einheimischen und profitieren gelegentlich von guten Tipps.

Nachdem wir unsere Fahrt fortgesetzt und gut Strecke gemacht haben, wurde es Zeit einen Schlafplatz zu suchen. Da kam uns ein kleiner See gerade recht. Recht idyllisch sah unser Nachtlager aus, wenn da nicht wieder diese Mücken wären. Der Zeltaufbau erfolgte in Motorradkombi inklusive Handschuhen und dem Insekten-Hut über dem Kopf. Und ich dachte schon, dass die Biester am Skilak Lake anstrengend waren. Nachdem aber das Zelt stand und alles eingeräumt war, konnten wir gut schlafen, schließlich war es dann auch schon 23:45 Uhr. Es wird hier nach wie vor erst sehr spät dunkel, wenn man es überhaupt so nennen kann, was das Einschlafen deutlich erschwert. Bisher haben wir die Sonne noch nicht wirklich untergehen sehen.

Am Morgen ging es nach einem Erdnussbutter-Marmelade-Bananen-Sandwich wieder an den Start, weiter zum Wrangell – St. Elias Nationalpark. Ab Chitina war allerdings Schluss mit der asphaltierten Straße, nun hieß es auf über 60 Meilen Erfahrungen mit losem Schotter auf der Piste zu sammeln. Die ersten Kilometer waren sicherlich sehr krampfhaft, da hier der Schotter besonders tief war. Nach einer Weile wurde die Piste besser und umso sicherer konnten wir weiterfahren. Gegen Mittag kamen wir dann in McCarthy an, wo es über eine schmale Brücke nur noch zu Fuß weiter gehen sollte. Von da an konnte man sich die circa 5 Meilen nach Kennecott, einem alten Kupferminen Ort, mit einem Shuttlebus bringen lassen oder eben laufen.  Da die Wander Trails erst in Kennecott starten, wäre dieser Fußmarsch hin und zurück, plus dem eigentlichen Wanderweg für einen Nachmittag zu lang gewesen. Aber wie es der Zufall so wollte, kamen wir auch an der Brücke ins Gespräch mit einem Radfahrer, der uns offenbarte, dass wir die Brücke mit den Motorrädern befahren können. Die Einheimischen fahren schließlich auch ständig mit ihren ATVs rüber. Damit hat er uns einen Fußmarsch von insgesamt guten 10 Meilen erspart. In Kennecott angekommen, präsentierten sich die alten Gebäude und die Konzentrationsmühle bei bestem Fotowetter und wurden gleich mit unseren Bikes abgelichtet. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden hier in der Umgebung große Kupfervorkommen mit besonders hoher Konzentration des Erzes (bis zu 80%) gefunden. Diese waren eine der größten je gefundenen Kupfervorkommen. 1938 wurden die Minen von einem Tag auf den anderen verlassen, erst in den 50er Jahren wieder aufgefunden und bis heute restauriert. Während des Betriebes wurde Kupfer im Wert von mehr 200-300 Millionen USD abgebaut. Die Minen um Kennecott versorgten die Welt mit Kupfer für die voranschreitende Elektrifizierung, industrielle Entwicklung und zur Herstellung von Munition für den 1. Weltkrieg. Auch heute noch operiert die „Kennecott Copper Corporation“ (damals gegründet von den Familien Havermeyer, Guggenheim und J.P. Morgan) zahlreiche Minen rund um den Globus.

Der Rohstoff musste irgendwie aus der tiefsten Wildnis Alaskas abtransportiert werden, um ihn dann weiter in alle Welt zu verschiffen. Dazu wurde eine 196 Meilen lange Eisenbahnlinie über Flüsse und durch mehrere Mountain Ranges von Valdez nach Kennecott gebaut. Dies forderte den Arbeitern einiges ab und lange wurden die Ingenieure belächelt, ob dies überhaupt zu schaffen sei. Die Schotterpiste von Chitina nach McCarthy folgt dieser alten Linie und ist zum größten Teil auf der alten Eisenbahntrasse angelegt worden. Am Gilhana River steht noch ein alter verfallener Abschnitt der beeindruckenden Holzbrücke während wir an anderer Stelle den Kuskulana River Canon auf der alten Stahlträgerbrücke von 1910 direkt überqueren. Diese abgeschiedene Gegend hier hat also eine sehr interessante Vergangenheit mit großer Bedeutung für die damalige Zeit.

Direkt vor der Mine bot sich uns ein sonderbarer Anblick, wie auf einem anderen Planeten. Wir sahen eine zerklüftete und dunkle Oberfläche, mehrere Kilometer weit. Die Reste der großen Gletscher vergangener Zeiten lagen in teilweise bizarren Formen vor uns und zeigten uns wie groß dieses Massiv gewesen sein mag. Nun hieß es aber erst einmal absatteln und umziehen, damit wir unsere Tour zu Fuß fortsetzen konnten. Wir wollten einen mit 3,5 km ausgeschriebenen Trail entlang des Root Glaciers wandern, was wir auch taten. Entlang dieses Trail hatten wir immer wieder herrliche Blicke auf die durch den Gletscher geformte Landschaft und auf den Gletscher selbst, bis es plötzlich nicht mehr weiter ging. Wir waren schon ein gutes Stück gewandert, waren uns aber sicher, dass dies nicht das Ende des Trails sein kann. Nach kurzer Suche fanden wir auch eine Alternative und setzten den Weg fort. Doch dieser Weg wurde teilweise sehr interessant und forderte uns eine Menge Überwindung ab, denn der Weg führte genau an der Kante der Gletscherrinne entlang.  Bald merkten wir, dass der Weg kein Ende nehmen wollte. Die 3,5 km hätten längst vorbei sein müssen, dennoch ging es weiter. Nachdem wir langsam an den Rückweg denken mussten und sich die Aussicht nur noch wenig änderte, kehrten wir um, da wir uns auch noch den Root Gletscher aus nächster Nähe ansehen und ihn betreten wollten. Vom Punkt der Umkehr bis zum Ausgangspunkt zeichneten wir den Weg dieses Mal mit GPS auf und siehe da: aus den angegebenen 3,5 km wurden 8 km. Unterwegs trafen wir noch auf eine Vogelfamilie (vermutlich Schneehühner, die Wappentiere von Alaska, genannt Ptarmigan). Eines der Küken blieb bewegungslos vor uns sitzen, während sich der Rest schnell aus dem Staub machte. Aber schnell kam die Mutter zurück, beschützte mutig ihren Nachwuchs in dem sie uns entgegenflatterte und lockte uns schließlich von dem Küken weg indem sie sich krank stellte.

Ziemlich geschafft kamen wir an unseren Bikes an und waren sehr froh nun nicht auch noch zu der Fußgängerbrücke laufen zu müssen. Nun fuhren wir wieder westwärts, kochten am Kennicott River Abendbrot und suchten uns einen Schlafplatz am Rande der Piste. In einem Land wie Alaska geben wir keine 20 USD pro Person für einen Campingplatz aus. Dafür gibt es hier einfach zu viele Möglichkeiten wild zu campen. Bei der Schlafplatzsuche bekamen wir es mit einer der mächtigsten Naturgewalten Alaskas zu tun: Moskitos. Es sind einfach zu viele und man kann sich nicht wirklich wehren, wenn man nebenbei noch ein Zelt aufbauen muss. Der Beste Schutz vor den Attacken dieser fürchterlichen Kreaturen ist für uns, die komplette Motorradmontur vom Stiefel bis zum Helm und Handschuh anzulassen. Doch die unter den Klamotten entstehende Hitze treibt einen an den Rand des Wahnsinns und sorgt für gereizte Stimmung. Wieviel schöner wäre diese Landschaft, wenn es diese Quälgeister nicht gäbe? 


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