Head-Smashed-In Buffalo Jump

10. August

Head-Smashed-In Buffalo Jump ist ein Ort, welcher Jahrtausende lang ein Schauplatz gewaltiger Ereignisse war: Die Plain Indians nutzten diese Klippe, um ganze Bisonherden hinunterzustürzen und sich somit Nahrung zur Überwinterung und Material für Tipis und Gebrauchsgegenstände zu sichern.
Heute ist es ein Weltkulturerbe mit integriertem Museum, welches die Lebensweise der Indianer und den Ablauf der großen Bisonjagden näher bringt (Bison = engl. bison / buffalo). Die Klippe selbst sieht nicht besonders spektakulär aus, doch die eigene Fantasie führt zu Vorstellungen, die einem den Schauer über den Rücken laufen lassen. Es ist bemerkenswert, mit welch ausgefeilter Taktik die Ureinwohner Amerikas vorgegangen sind. Sie nutzen den Schutzinstinkt und den Herdentrieb der Tiere: Sobald ein Kalb von der Herde getrennt und von Raubtieren bedroht wird, rennt die Herde los und umzingelt das Kalb zu dessen Schutze. Ein besonders mutiger Indianer, tarnt sich mit einem Bisonfell und imitiert ein „verlorenes Kalb“. Indianer im Wolfspelz drohen das „Kalb“ anzugreifen. Die Herde setzt sich in Bewegung und rennt auf das Kalb zu. Der Kalb-Indianer läuft nun quasi um sein Leben in Richtung Klippe. Die Herde rennt hinterher und wird von Leitbahnen, die aus Felsen und Astwerk in tagelanger Vorbereitung gesteckt wurden, in Richtung Klippe geleitet, weiter getrieben durch die „Wölfe“. Erst kurz vor Erreichen des Abgrundes springt der Kalbs-Indianer zur Seite, doch für die massigen Tiere gibt es kein Halten mehr. Zu Hunderten stürzen sie hinunter. Am Fuße des Abgrundes warten auf überlebende Tiere die tödlichen Pfeile und Axthiebe weiterer Indianer. Es bleibt nicht viel Zeit um den Jagderfolg zu feiern. Um das Fleisch nicht verkommen zu lassen, werden die Tiere direkt im Camp vor Ort gehäutet, ausgenommen und verarbeitet. Diese Szenerie des Massenschlachtens muss schauderhaft gewesen sein, für damalige Menschen in dieser Region war es jedoch ein überlebenswichtiges Ereignis. Die Körper der Bisons wurden bis zum letzten Teil verwertet. Neben dem Fleisch hat man über 80 weitere Verwendungen der Körperteile gefunden: aus dem Huf gewann man Leim, das Horn wurde zu Trinkgefäßen und Werkzeugen verarbeitet, die Blase diente als Wassersack, mehrere Häute wurden zu einer Tipiwand zusammengenäht, das Fell wurde zu Kleidung usw.. Von keiner zweiten Jagdkultur der Erde ist bekannt, soviel „Beute“ auf einmal gemacht haben zu können und soviel Nutzen aus dieser zu ziehen.

Der Legende nach wollte ein junger Indianer sich das Schauspiel ganz aus der Nähe ansehen und stellte sich unter den Vorsprung der Klippe. Dabei wurde er von einem herabstürzenden Tier erfasst und sein Kopf wurde zerschmettert. Daher kommt der Name „Head-Smashed-In“ Buffalo Jump. Es gibt noch viele weitere durch Knochenfunde nachgewiesene Buffalo Jumps, doch dieser ist der bekannteste.

Im 19. Jahrhundert wurden aus purem Spaß am Töten, zur Nutzung der Bisonknochen zur Herstellung von Dünger und Schießpulver (für den ersten Weltkrieg), Millionen von Bisons abgeschlachtet. Damit wurde gleichzeitig den Indianern eine der wichtigsten Lebensgrundlagen genommen, was die Neueroberer als positiven Nebeneffekt empfanden. Die Indianer waren ohnehin lästig, wenn es um Vereinnahmung von Land und Bodenschätzen ging und so konnte man sie tiefgreifend ihrer Lebenskultur berauben. Innerhalb von zehn Jahren, hat es „der Weiße Mann“ geschafft, den Artbestand von circa 50 Millionen Tieren auf unter 1000 (eintausend!) Individuen zu reduzieren. Heute leben wieder einige hunderttausend Tiere, die alle von diesen Überlebenden abstammen, aber teilweise domestiziert oder mit Rind gemischt worden sind.

In der Abendsonne machen wir uns auf die Suche nach einem Platz für unser Zelt und stehen wieder vor dem Problem von Privateigentum umgeben zu sein. Wir biegen in der Nähe des Buffalo Jumps in eine Einfahrt und fragen einfach mal nach, ob wir auf der Wiese das Zelt aufstellen dürfen. Wir haben Glück. Die Junge Familie lädt uns gleich zu einem erfrischendem Kaltgetränk und einem saftigen Rindersteak ein. Sie haben gerade Besuch von zwei Freunden aus der Umgebung und so verbringen wir einen gemütlichen Abend. Die beiden Kinder und die vier Hunde sorgen für Spaß und Abwechslung. Am nächsten Morgen rücken wir Stephan mit der Haarschneidemaschine zu Leibe, da ihm langsam unter der Matte etwas zu warm wird.


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