Zurück in Mexiko-Stadt

27.12.2014-14.01.2015
 
Was wollen wir noch von Mexiko-Stadt sehen? Ein kurzer Blick ins Internet offenbart uns, das wir bei ausreichend Zeit einen Besuch von Teotihuacan nicht versäumen sollten.
50 km nordöstlich von D.F. liegt eine der bedeutendsten Ruinenstädte Mesoamerikas. Seit 200 v.Chr. wurde dieser Ort ungefähr tausend Jahre lang bewohnt und war mit bis zu 200.000 Einwohnern zu ihrer Glanzzeit ein dominierendes Zentrum und gilt als damals größte Stadt Amerikas. Wer die ursprünglichen Erbauer und Bewohner waren ist bis heute nicht geklärt. Die Azteken fanden die Stadt bereits verlassen vor.
 
Wir schlendern den 2,5km langen und 40m breiten Hauptweg entlang und lauschen dem Gebrüll der Jaguare. Das Fauchen, welches aus diesen Tonfiguren kommt, wenn man hineinbläst, wird zu allgegenwärtigem Geräusch. Jedes zweite Kind hat solch ein Ding. Die Verkäufer sind aufdringlich genug und nerven die Eltern wohl mehr als es die Kinder später mit ihren Jaguarfiguren können. Für uns wird es zum Dauerwitz und Roxana beweist uns das es auch mit den bloßen Händen geht. Da wir nun hier sind, können wir unmöglich nicht die 60m hohe Sonnenpyramide besteigen. Bei gefühlten 40 Grad im Schatten, den es aber hier leider nicht gibt, stellen wir uns an die Schlange, die sich vom Pyramidenboden über mehrere Windungen bis auf die Spitze zieht, an. Nach 45 Minuten haben wir schneller als erwartet (unter Auslassung einer Windung an der man sich theoretisch hätte anstellen müssen), die oberste Plattform erreicht. Nach dem obligatorischem Genuss der fantastischen Aussicht auf die Ruinenstadt und dem Schießen einiger Fotos begeben wir uns auf den 6-minütigen Abstieg.
 
Wieder versuchen wir uns vor dem inneren Auge vorzustellen was sich hier wohl vor 2000 Jahren abgespielt hat. Kurzzeitig gelingt es: Bauern verkaufen ihre Ernte, Töpfer stellen Tongefäße her, Tiere und Menschen laufen im Gedränge umher, bunt geschmückte Herrscher stehen auf den Pyramiden und sehen auf ihr Volk herab, auf den Tempel-Altären liegen die Reste der Blutopfer, … , nein manches will man sich doch nicht vorstellen. Man würde so gerne wissen wie es „wirklich“ ausgesehen hat und wird es doch nie erfahren. Das macht wohl die Faszination an solchen Orten aus. Sie sind da und begehbar, man stellt sich etwas vor, wird es aber nie bestätigt bekommen und so denkt sich der Geist immer neue Szenarien und Möglichkeiten aus. Man schaut sich immer mehr Relikte und Ausgrabungsgegenstände an, liest etwas darüber und fragt sich dann am Ende, warum es einen eigentlich interessiert, was irgendjemand am anderen Ende der Welt vor 2000 Jahren dort gemacht hat. Und trotzdem kann ich es kaum erwarten, später die Ruinen der Maya im Urwald von Guatemala zu sehen oder die der Inka in den Bergen von Peru.
 
Sylvester wird in Mexiko relativ unspektakulär gefeiert. Feuerwerk haben wir so gut wie keines gesehen. Wir verbringen den Abend mit Roxanas Familie, die ein großes Zusammentreffen geplant haben. Es gibt scharf gewürzte Tamales und später Garnelensuppe. Kurz nach 12 Uhr isst jeder seine 12 Weintrauben, von denen jede einen glücksbringenden Monat symbolisiert. Danach gratuliert jeder jedem mit einer Umarmung zum neuen Jahr, was in unserem Fall bei rund 40 Leuten einige Zeit in Anspruch nimmt.
Am das ersten Wochenende des Jahres fahren wir mit der Veronica, Sergio und Laura nach Morelia, doch dazu später mehr in einem anderen Beitrag.
 
Für den Abend des 8. Januar sind wir mit den Organisatoren des Projektes „amigos de los ninos“ verabredet, Venancio und Felipe. Bereits im Vorfeld unserer Reise standen wir mit „Der Stiftung für Helfer“ in Kontakt, die es Reisenden vereinfachen will, unterwegs an sozialen Projekten mitzuwirken beziehungsweise Spendengelder zu übergeben. Die „Amigos de los ninos“ sind eines dieser Projekte der weltweiten Datenbank, welches wir anfahren wollten. Im Verein werden Kinder aus sozial schwachen Familien unterstützt, damit sie am regulären Schulunterricht teilhaben können. Unsere aus Deutschland gesammelten Spenden investieren wir an diesem Abend in 11 neue Schulrucksäcke. Von dem Rest der 350€ kaufen Venancio und Felipe später Turnschuhe für die Kinder, da wir an diesem Abend die Größen noch nicht kennen. Einen ausführlicheren Bericht dazu gibt es hier.
 

 
Wir haben noch einen Tag, den wir gemeinsam mit Jorge und Roxana in der Stadt verbringen wollen, da wir aus Sightseeing-Sicht noch gar nicht viel von D.F. gesehen haben. Das Nationalmuseum für Anthropologie ist für seine umfangreiche Dauerausstellung über die indigenen Völker Mexikos bekannt und erscheint uns daher als guter Ausgangspunkt. Wir lernen einige erstaunliche Fakten über die Maya und Azteken (welche sich selbst als Mexica bezeichneten). Zuvor hatte ich zumindest noch nicht gewusst, dass die Maya ihre Schädel seit dem frühkindlichen Alter mit Hilfe von Holzklemmen zu einer konischen Form zwangen. Das „Juego de pelota mesoamericano“ war ein viel gespieltes Ballspiel, welches sowohl Sportveranstaltung als auch Ritual war. Nur durch Berührung mit Hüfte oder Oberarm musste versucht werden, einen Ball durch Zielringe oder an Markiersteine zu spielen. Der Ball war sehr schwer und hart, sodass gelegentlich Spieler an einer gebrochenen Hüfte oder anderen Verletzungen gestorben sind. Das Spiel wird auch oft mit Menschenopfern in Verbindung gebracht. Aus verschiedenen Quellen haben wir gehört das Verlierer oder Gewinner geopfert wurden, wobei es im zweiten Fall eine Ehre war. Mehr als 1000 solcher Ballspielplätze wurden bei den alten Ruinenstädten identifiziert. Ebenso sehen wir Opfersteine der Mexica (Azteken), auf denen Kinder im Alter von 6-7 Jahren geopfert wurden, um die Götter um Regen zu bitten. Kinder, die viel weinen, bringen nach der Opferung das Wasser vom Himmel.
 
Hier noch eine kurze Geschichte: Inmitten eines Sees im Tal von Mexiko, sahen die aztekischen Ankömmlinge einen Adler der auf einem Kaktus sitzend eine Schlange verschlingt. Dies sahen die Azteken als göttliches Zeichen und gründeten an dieser Stelle ihre Hauptstadt Tenochtitlán. Die Stadt wurde auf mehreren Inseln dieses Sees mit Dammwegen zum Festland hin erbaut. Heute befindet sich hier Mexiko-Stadt, den See gibt es bis auf kleine Überreste nicht mehr, da er von den Spaniern trocken gelegt wurde. Der Adler und die Schlange auf dem Kaktus bilden heute das Nationalwappen und finden sich auf der mexikanischen Nationalflagge wieder.
Im Anschluss an den Museumsbesuch schlendern wir zum Schloss Chapultepec und weiter durch die Stadt. Das Denkmal El Angel de la Independencia erinnert uns sofort an die Siegessäule in Berlin. Die umliegenden Hochhäuser in ihren Glasfassaden lassen das Stadtzentrum sehr modern erscheinen. Im Restaurantviertel gönnen wir uns einen amerikanischen Burger bevor wir zum Monumento Revolucion Mexicana weiter laufen. Man kann mit einem Fahrstuhl auf die Plattform unter der 67m hohem Kuppel fahren. Im Rundgang haben wir einen Blick nach allen Seiten auf die Stadt. Wir warten hier den Sonnenuntergang ab, auch wenn der kühle Wind uns hier oben zu schaffen macht.
 
Unsere letzenTage in D.F. verbringen wir mit Blog schreiben, Emails beantworten, einigen organisatorischen Dingen, Essen kochen, Motorölwechsel und verlieren uns ab und an im Internet. Das Internet hat natürlich auf solch einer Reise viele Vorteile, doch manchmal denke ich mir, dass ich ja meine Zeit eigentlich mit Reisen und nicht mehr mit dem Computer verschwenden wollte. Ansonsten geben wir bei Jorges Schwester Laura noch einen Vanillekipferl-Backkurs und lernen später im Gegenzug Salsa zu kochen (grüne Salsa besteht aus grünen Tomaten und grünem Chili, rote Salsa aus roten Tomaten und rotem Chili). Außerdem waren wir mit unseren Freunden im Kino, beim Billard spielen, haben Schokoladenfondue gemacht, waren Essen gehen usw., eben ganz normale Dinge, nur im „Mexican Style“. Nicht zu vergessen die abendliche Gesprächsrunde beim Tee, bei denen alle möglichen Gesprächsthemen aufkommen, wie zum Beispiel Bräuche in Deutschland. Besonders amüsant für Jorge und Roxana waren dabei das Maibaum stellen zum 1. Mai, Zuckertüten zum Schulanfang und der Männertag an Christi Himmelfahrt. Zur Geburtstagsfeier von Veronica sehen wir nochmal alle wieder und können mit unserem selbstgebackenen russischen Zupfkuchen eine kleine Freude bereiten.
 
Unsere Zeit in Mexiko-Stadt neigt sich nun dem Ende zu. Die Stadt hat besonders unseren Seh-, Riech- und Hörsinn gefordert, daher folgt hier nur eine kurze Zusammenfassung. Die Stadt ist so vielfältig, das man sie schwer beschreiben kann, am besten man hat sie selbst erlebt. Für das Auge gab es solch eine Vielfalt, das einem schon schlecht werden konnte: Moderne, verglaste Hochhäuser stehen im Kontrast zu heruntergekommenen Slums und Wellblechhütten. Monumente in Form von Statuen und Plattenbauten erinnern mich an Fotos aus der ehemaligen Sowjetunion. Archäologische Ausgrabungsstätten, Kirchen und Kathedralen, hübsche Plazas und Parks (z.B. Coyoacan), Bars, Clubs, Museen und Schlösser sind die Anziehungsmagnete für Touristen. Einzeln aneinandergereihte Geschäfte, kleine Verkaufsstände, Krimskramsläden, unglaublich viele Essbuden und Snack-Kioske aber auch schicke Einkaufsmalls sorgen für belebte Straßen. Werkstätten, einfache Hand-Autowaschanlagen und Bretterbuden aller Art formen ebenfalls das Stadtbild.
 
Sowohl kleine verschlafene Gassen als auch zwölfspurige oder mehr-etagige Straßen bilden das Verkehrsnetz. Ein Metrobus- und U-Bahnnetz sorgt für schnelle und relativ preiswerte Mobilität innerhalb der Stadt. Die Straßen werden befahren von ganz normalen Klein-, Mittel- und Oberklasse- Fahrzeugen, welche auch in Europa oder den USA zu finden sind, einigen Autos die scheinbar dem Schrottplatz entkommen sind, überdurchschnittlich viel gepanzerten Pickups, Taxis, unendlich vielen Bussen verschiedener Größen und vielen Roller- und Motorradfahrern ohne Helm. Straßenhindernisse sind unter anderem ungesicherte Baustellen, fehlende Gullideckel, vereinzelt liegengelassen Fahrzeuge, streunende Hunde, Händler auf Rädern oder einfach nur Stau. Offen herumliegender Müll jeglicher Art, selbstgemalte Werbeschilder, Plakate, Wand- und Bodenmalereien sowie Graffitis, welche die Kritik des Volkes an der Regierung zum Ausdruck bringen, runden das Stadtbild ab. So verschieden wie das äußere der Stadt sind auch die Menschen in dem unendlich großen Gewusel. Frauen tragen ihre Kinder in Decken gewickelt auf dem Arm (man sieht hier kaum Kinderwagen), Schuheputzer , Straßenkünstler an Ampeln, U-Bahnverkäufer (illegal), Geschäftsleute, Schulkinder, Studenten, Bauarbeiter, Bettler, Mariachis, Verkäufer aller Art und meistens ganz normale Leute… .
 
Für die Ohren sind besonders die Autos mit auf dem Dach angebrachten Lautsprechern auffällig, welche mit Melodien und Bandansagen auf ihre Ware (z.B. Wasser, Brot, Gasflaschen) auf sich aufmerksam machen. Wer keinen Lautsprecher hat schreit einfach seine Botschaft in die Gegend.
Die Nase hat mit Smog und Staub zu kämpfen. Aufgrund der Höhenlage von circa 2200m und dem ständigen Smog welcher die Stadt umhüllt, war uns öfter etwas schummrig. Der süße Duft von Churros ist verlockend, Fahrräder mit dampfenden Töpfen (Tamales usw.) fahren an uns vorbei. Die zahlreichen Comedores (Essbuden) verbreiten den Geruch von Fleisch, Tortilla und Salsa. Tote Hunde am Straßenrand, Müllberge und stinkende Gossen sind dann die weniger erfreulichen Geruchsquellen.
Die Liste an Eindrücken ließe sich unendlich fortsetzen und auch die Fotos können diese Welt nicht annähernd wiedergeben. Am besten man erlebt die Stadt selbst mit allen Sinnen.
 
Mit Unterbrechung durch die Ausflüge nach Oaxaca und Morelia, machen wir uns einen Monat nach unserer Ankunft in D.F. auf den Weg zu unserem nächsten Zwischenziel Puebla.
 
Ein großes Dankeschön an Jorge und Roxana und ihre Familien für diese einzigartige Zeit. Es hat uns großen Spaß gemacht mit Euch!
 


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