Südmexiko – Mayadorf und Umlenkhebel

13.-21.03. 2015
 
Am Abend möchte uns Vera noch etwas zeigen. Zum einen die Ruinen von Aké und ein Mayadorf. Viel interessanter als die Ruinen war jedoch eine Spinnfabrik direkt daneben. Leider konnten wir ohne eine circa 10€ teure „Fotoerlaubnis“ keine Fotos machen, doch einen Blick durften wir riskieren. Ich fühlte mich wie ins 18. Jahrhundert zurückversetzt. Auf der einen Seite im Gebäude liegt der Rohstoff: Fasern der Sisal-Agave, die hier in der Gegend auf Feldern angebaut wird (aus Agaven wird auch Tequila hergestellt). Am anderen Ende wird das Endprodukt, ein mitteldicker Strick auf große Rollen gewickelt. Dazwischen befinden sich zahlreiche Maschinen, welche Fasern und Fäden in einer Geschwindigkeit verarbeiten, dass man kaum erkennen kann was da genau passiert. Die ganze Anlage sieht jedenfalls aus wie ein Museumsstück, welches aus den alten Zeiten der Industrialisierung in Europa stammt. Nur, das es hier noch läuft, rotiert und klappert. Im Nachhinein ärgere ich mich ein wenig, dass wir nicht einfach die Erlaubnis gekauft haben. Es wären sicherlich einige sehr interessante Fotos und Filmchen dabei herausgekommen.
 
Zum Schluss bleibt noch das Maya-Dorf San José Oriente, welches uns Vera zeigen will. Es ist früher Abend und scheinbar alle Dorfbewohner sind auf der Straße. Die Frauen tragen alle traditionelle Kleidung. Einige schauen uns skeptisch an, andere lächeln freundlich. Am Hauptplatz sitzen und stehen sowohl alte als auch junge Männer gesellig beisammen. Als wir mit unseren drei Bikes dort ankommen, sind wir natürlich das Zentrum der Aufmerksamkeit. Das heißt nicht, dass alle gleich auf uns zustürmen, aber aus sicherer Entfernung wird geschaut und getuschelt. So, was machen wir nun hier? Wir fühlen uns etwas unbeholfen und wissen nicht so richtig wie wir auf sie zugehen sollen, erscheint es uns doch komisch einfach zu fragen, „na, wie geht’s so?“. Vera kennt einige der Leute, da er auch hier regelmäßig seine Backwaren vertreibt. Auf seinen Vorschlag hin fahren wir eine kleine Runde durchs Dorf. Da es schon halb dunkel ist lohnt es sich nicht mehr die Kamera auszupacken und wir überlegen uns, am nächsten Tag wiederzukommen. So tauchen wir am Folgetag nochmals in San José Oriente auf, diesmal ohne unseren „Guide“, was uns die Kontaktaufnahme nicht gerade erleichtert. Wir wollten gerne ein paar indigene Mayas fotografieren. Vielleicht ist das auch ein fragwürdiges Anliegen, wenn man es aus der Perspektive der Dorfbewohner betrachtet. Sie wohnen dort ihr Leben lang und plötzlich kommen Fremde mit ihren Kameras. Wie würde sich ein Deutscher fühlen, wenn ein Fremder über die Gartenhecke schaut und fragt ob er ein Foto machen dürfe? So kommen wir uns auch etwas komisch vor und wissen nicht so recht ob wir nun jemanden fragen sollen oder nicht. Die Mayas sind zudem sehr schüchtern, besonders was Fotos angeht.
 
Die typischen Häuser hier sind einfache Lehmbauten mit ovalem Grundriss und einer Öffnung jeweils auf den langen Seiten. Man kann also quer hindurchschauen und in der Mitte sehen wir häufig jemanden in der Hängematte liegen. Die Dächer sind aus Wellblech oder getrockneten Blättern errichtet, der Boden ist einfache Erde. Ab und an gibt es aber auch Massivhäuser aus Stein. Auf den Straßen laufen Schweine, Hunde, Truthähne und Hühner umher. Kinder erspähen uns und verstecken sich kichernd wieder, manche winken. Ein paar Kinder spielen auf der Straße und als sie uns erblicken werden sie neugierig. Ein kleiner Junge fragt uns ob wir ein Foto von ihm machen wollen, er hat uns wohl unser Anliegen von den Augen gelesen. Erfreut über das Angebot machen wir einige Fotos von ihm und seinem kleinen Cousin und bald sind auch die anderen Kinder dabei. So kommen wir etwas ins Gespräch und bekommen auch noch eine tropische Frucht angeboten, welche die Kinder gerade vom Baum geschlagen haben.
 
Eigentlich sollte die weitere Route nach Tulum, zu den Maya Ruinen am Meer gehen, denn zur Touristenhochburg Cancun wollten wir gar nicht erst in den Norden fahren. Allerdings sind die beiden anderen Motorradreisenden Joey (Josephine) und Daniel gerade in Cancun. Die beiden wollten wir gerne wiedertreffen und da unser Kontakt in Tulum auch noch abgesagt hatte, haben wir die Route kurzerhand umgelegt. Es gibt natürlich viel zu erzählen, haben wir doch während unseren Reisen jeweils viel erlebt. Uns gefällt jedenfalls die neue Gesellschaft und es ist schön sich mit Gleichgesinnten auf Deutsch zu unterhalten. Zudem haben wir einen ähnlichen Humor und daher gibt es immer etwas zu lachen.
 
Das Lachen vergeht uns jedoch kurzzeitig, als wir feststellen, dass beim tiefergelegten Bike der Ausgleichsbehälter des neuen Öhlins Federbein offensichtlich auf die Schwinge durchgeschlagen ist. Was nun? So darf es nicht bleiben, ist doch die Gefahr zu groß, dass der Ausgleichgehälter, in dem sich das Gas unter Hochdruck befindet, beschädigt wird. Sch…ße, denken wir uns, gerade 6 Wochen festgehangen und nun schon wieder so ein Problem mit der Federung. Eine Möglichkeit wäre massiv Gepäck loszuwerden. Ein bis zwei Kilo sind vielleicht drin, doch für wesentlich mehr Gewichtseinsparung müssten wir Campingausrüstung und Werkzeuge abwerfen. Eine andere Möglichkeit wäre, die Federbeine der beiden Motorräder zu tauschen, da in dem anderen das Original Federbein sitzt und der Behälter etwas kleiner ausfällt. Die langwierige Prozedur haben wir ja erst durch… . Eine andere Idee ist, das Bike wieder auf seine ursprüngliche Höhe zu legen, nur fehlen uns dazu die Originalen Umlenkhebel, die natürlich zu Hause in einer Kiste liegen. Die rettende Idee ist nun, die Umlenkhebel der beiden Maschinen temporär zu tauschen, bis wir die Originalteile haben. Gesagt getan, auf dem Zeltplatz errichten wir mithilfe von Holz- und Steinblöcken unsere eigenen Motorradheber, da wir bei beiden Maschinen gleichzeitig die Hebel für den Kreuztausch ausbauen müssen und dummerweise der Hauptständer zur Entnahme der Bolzen im Weg ist. Ab und an kommt uns ein Leguan besuchen und schaut uns neugierig bei der Arbeit zu. Nun muss sich Stephan mit einer tiefergelegten Maschine vergnügen, während ich feststelle, dass es sich mit der Originalhöhe eigentlich viel besser fährt, abgesehen von den Situationen, in denen ich mit den Füßen den Boden berühren muss, um zu rangieren. Parallel dazu sind zu Hause die originalen Umlenkhebel schnell gefunden und werden im Paket nach Guatemala vorausgeschickt.
 
Von Cancun selbst haben wir gar nicht so viel gesehen, worüber wir aber auch nicht böse sind. Naja Stephan vielleicht ein wenig, da wir gar nichts von den Spring Break Ritualen mitbekommen haben, welche hier gerade von den US-Teenies gefeiert werden.
An den Höhlen von Loltun hatten wir auch die beiden jungen Deutschen Patrick und Matthias kennengelernt, welche eine dreiwöchige Rundreise über die Halbinsel gemacht haben. Wir haben uns recht gut verstanden, es gab viel zu besprechen und so kommt es, dass wir uns mit den beiden nochmal in Cancun wiedertreffen. Sie erklären sich auch bereit mein Objektiv mit nach Deutschland zurück zunehmen, welches kürzlich seinen Geist aufgegeben hat. Das 70-200mm Teleobjektiv macht nur noch matschige und detaillose Fotos, womit es nur noch unnötiger Ballast geworden ist. Wahrscheinlich hat sich während der ganzen Motorradfahrten etwas losgerappelt, obwohl wir es extra gepolstert hatten. Schade, es war mein Lieblingsobjektiv und nun muss ich erstmal auf lange Brennweiten verzichten.
 
Beim Playa de Akumal sind Joey und Daniel zu einer Party eingeladen, zu der wir auch mitkommen dürfen und es stellt sich heraus, dass es die Abschiedsfeier von einem mexikanischen Pärchen ist, welches sich auch mit dem Motorrad auf eine lange Reise begibt. So treffen wir viele andere Motorradreisende, darunter auch Simon und Lisa, die beiden Engländer, die seit 11 Jahren mit ihren beiden BMWs durch die Welt fahren. Sie haben ihre Reise schon halb zum Beruf gemacht und verdienen mit Texten, Präsentationen und dem Verkauf von Fotos und Merchandise-Produkten Geld für ihre Reisekasse. Das hört sich vielleicht erstmal interessant an, doch muss man auch dafür bereit sein, seine eigene Reise entsprechend zu vermarkten. Dementsprechend wäre man wohl immer auf der Suche nach „den“ Stories, die sich meistens aber nicht ergeben indem man sie gezielt sucht.
 
Bevor wir uns nach 3,5 Monaten endgültig von Mexiko verabschieden, vertreiben wir uns noch ein wenig die Zeit an der Laguna de Bacalar mit Paddelborad fahren und entsprechenden Wasserschlachten.
Unsere Zeit in Mexiko war sehr erlebnisreich und wir haben viele Menschen hier sehr lieb gewonnen. Wie oft haben wir in den USA gehört „isn’t it dangerous down there?“. Mexiko hat uns gelehrt, dass die ganze Angstmacherei unsinnig ist, vor allem wenn sie von Leuten betrieben wird, die noch nie dort gewesen sind oder von Regierungen, die wirtschaftliches Interesse daran haben, andere Länder in Armut zu halten. Leider mussten wir in den USA auch von schießgeilen texanischen Rentnern erfahren, welche private „Grenzpatrouillen“ fahren und denken, sie dürfen über Leben und Tod illegaler mexikanischer Einwanderer entscheiden. Solche Dinge machen uns nun noch trauriger, da wir die andere Seite nun kennen. Läge nicht das Mittelmeer als natürliche Grenze zwischen Europa und Afrika, hätte die EU sicherlich auch mehr Stacheldrahtzäune und Munition bereit liegen.
Ja, es gibt den Drogenkrieg, Korruption und viel Armut in Mexiko und man darf dies keinesfalls herunterspielen. Doch das heißt andererseits auch nicht, dass an jeder Straßenecke jemand lauert und einen umbringen will. Das alltägliche Leben findet hier ganz normal statt. Ich spaziere auch nicht gerne nachts allein in Frankfurt am Hauptbahnhof, in der Münchener U-Bahn, in Köln-Chorweiler oder in Berlin-Neukölln herum. So gibt es auch in Mexiko Gebiete die man meiden sollte. Viele Geschichten von ausgeraubten Touristen enttarnen sich bei näherem Hinsehen als Geschichten von Leuten die nachts allein oder betrunken zum Hotel zurück laufen und damit leichte Opfer sind. Wenn man sich vorher informiert wo die Brennpunkte sind und ansonsten gesunden Menschenverstand walten lässt, kann man Mexiko sehr gut bereisen und wird von seiner Vielfalt und den herzlichen Menschen begeistert sein. Wir hatten geplant das Land in 2 Wochen zu durchfahren, geworden sind es 16.
 
Wir wurden doch tatsächlich von einer Mexikanerin gefragt, ob es in Deutschland nicht gefährlich sei, sich als Ausländer aufzuhalten. Sie hatte ernsthafte Bedenken bezüglich ihrer zukünftigen Reise in unser Heimatland. In einer Dokumentation hatte sie gesehen, welche Verbrechen Rechtsradikale in unserem Land an Ausländern verüben. Als Deutsche können wir uns dafür nur schämen und sind betrübt über dieses Bild, welches in der Außenwelt kursiert. Genauso betrübt sind die Mexikaner, wenn sie erfahren, wie sie von der westlichen Welt gesehen werden. Liest man die Sicherheitsinformationen zu Mexiko auf der Seite des ausländischen Amtes, würde man wahrscheinlich ebenso von einer Reise in das Land absehen. Woher sollte man es auch besser wissen? Wir sind angewiesen auf die Informationen, die uns andere bereitstellen. Doch es gibt scheinbar immer mehrere Wahrheiten und die Negativberichte der Medien sind vielleicht eine davon. Ein weiterer Grund für diese Reise: es gibt uns die Gelegenheit das, was uns die Medien weismachen wollen, mit dem zu vergleichen was in der Realität passiert.
 


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