Kalte Füße

Die Motoräder stehen sicher in der Garage. Irgendwie sind wir bisher nicht dazu gekommen, mit ihnen zu fahren. Es gibt einfach zu viel Anderes zu tun. Wir haben schon Ersatzkanister besorgt (je eine Gallone = 3,8L), um lange Durststrecken in Alaska und Kanada zu überstehen. Direkt am zweiten Tag haben wir eine Radtour an die Küste gemacht, 20km mal eben nach dem Abendbrot, zusammen mit unserer Gastgeberin Gail, welche trotz ihrer 60 Jahre noch sehr fit ist. Am Strand erklärt uns Gail, dass wir niemals bei Ebbe auf den matschigen Untergrund gehen sollten. Es sind schon einige Leute im Schlamm stecken geblieben und haben es nicht mehr geschafft, der Flut zu entkommen. Auf dem Heimweg erzählt sie uns einige Interessante Dinge über Bären. In Anchorage leben ca. 350 Exemplare. Wir hatten uns vorher schon belesen, was man über Bären und deren Verhalten wissen sollte. Sollte es zu einer Begegnung kommen, soll man nicht weglaufen und sich durch langsames Winken und rufen als Mensch zu erkennen geben. Bären welche im Stadtgebiet leben, sind es gewohnt Menschen zu beobachten. Daher wäre ein solches Verhalten in diesem Fall eher kontraproduktiv und man soll einfach das fortsetzen, was man gerade im Begriff war zu tun.

Am Freitag wollten wir uns ursprünglich schon auf den Weg in Richtung Sewards und Kenai Peninsula machen, doch Tim und Gail boten uns an noch etwas länger zu bleiben und die Gegend um Anchorage zu erkunden. Wir entschlossen uns gemeinsam eine Wanderung zu einem Gletscher zu unternehmen. 1,5 Autostunden südlich von Anchorage beginnt der Portage Pass Trail. Zum ersten Mal ging es für uns in die Wildnis Alaskas und in der Tat wurde es etwas abenteuerlich. Wir ließen den Ozean hinter uns und nachdem wir den ersten größeren Hügel erklommen haben, eröffnete sich uns ein grandioser Blick auf den Portage Glacier (Gletscher). Ann ist eine aktive Geo-Cacherin, also beteiligten wir uns gern während der Wanderung an der Schatzsuche. Immerhin fanden wir 3 Caches. Wir verloren den Pfad und schlugen uns durch Busch und Unterholz. Ab diesem Moment begannen wir Lieder zu singen und zu Pfeifen, um Bären auf uns aufmerksam zu machen und sie nicht zu überraschen. Zurück auf dem Pfad treffen wir zwei Wanderer mit nassen Schuhen. Sie erzählten uns sie seien bis zum Rand des Gletschers vorgedrungen und haben dabei knietief einen Fluss durchquert. Klingt interessant. Unten am Gletschersee angekommen (Portage Lake) machen wir uns selbst ein Bild von der Lage. Tatsächlich, links am See vorbei gibt es eine Möglichkeit zum Gletscher zu kommen, nur der Fluss, der von einem weiter oben liegenden Gletscher gespeist wird, liegt dazwischen. Das Wasser fließt schnell, wir können nicht richtig sehen, wir tief es wirklich ist. Vielleicht gibt es weiter oben eine Stelle wo wir den Fluss über Felsen überqueren können. Wir kraxeln flussaufwärts, doch die Felsen sind zu weit auseinander und zu glitschig. Es wäre zu gefährlich es nur zu versuchen.

Wieder unten suchen wir nach der besten Kombination, aus möglichst schmalem Flussarm und flachen Wasser. Es gibt keine Diskussion, wir alle wollen rüber. Gail ist die erste, welche die Schuhe auszieht. Wir hatten keine Lust den ganzen Heimweg mit nassen Schuhen zu gehen. Also blieb nur übrig, diese auszuziehen. Es sollte die härteste Kneipp Kur unseres Lebens werden. Knietief durch eisiges Gletscherwasser (so kalt kann es aus keinem Wasserhahn kommen), über felsiges, steiniges Flussbett – es gibt schönere Momente. Nämlich dann, wenn der Schmerz nachlässt. Der Strom ist erstaunlich stark, man muss aufpassen, nicht reinzufallen, nicht auszudenken, was passieren würde. Wir müssen zwei Flussarme durchqueren. Durch die eisige Kälte werden die Füße so taub, dass man wenigstens die Steine nicht so sehr spürt. Es ist ein innerer Kampf – einerseits will man schnell drüben sein, andererseits sollte man nicht riskieren zu stürzen.  Am anderen Ufer angekommen, sind meine Beine knallrot – it look`s like a chicken. Wir alle wissen, dass wir wieder durch den Fluss zurück müssen, es gibt keinen anderen Weg. Dennoch haben sich die Strapazen gelohnt. Der Gletscher sieht aus der Nähe wunderschön aus. Das Eis schafft bizarre Formen. Aufgrund der hohen Dichte des Eises schimmert es blau. Ab und an hören wie ein gewaltiges Knacken im Inneren des Eises.  Ein köstliches Bananen-Erdnussbutter-Sandwich macht uns fit für den Rückweg. Ob wir alle wieder heil durch den Fluss kommen?

 


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