Von Tempeln im Dschungel und Rutschfahrten im Regen

25. – 30. März

Tikal

Nachdem wir die Grenze passiert haben geht es auf direktem Weg nach Tikal. Die letzten Kilometer geht es im Schleichfahrtmodus voran, da laut dem Personal am Eingang die Start- und Ankunftszeit verglichen wird. Und wer schneller als innerhalb einer bestimmten Zeit ankommt, hat zwangsläufig die Höchstgeschwindigkeit überschritten und muss eine Strafe zahlen. Es fällt uns nicht leicht die 40 bzw. 45km/h einzuhalten. Endlich angekommen, ist natürlich niemand mehr da, der die Zeiten überprüft. Hätte man sich fast denken können, da wir immer wieder von Bussen und anderen Fahrzeugen mit deutlich höherem Tempo überholt wurden. Auf dem Campingplatz erwartet uns eine freudige Überraschung, eine weitere XT660Z steht nahe dem Platz, wo wir unser Zelt aufbauen wollen. Es ist Ingos Tenere mit der er schon Australien und viele andere Länder unsicher gemacht hat. Ihn haben wir seit San Diego nicht mehr gesehen. Umso mehr freuen wir uns, dass es hier noch einmal klappt.

Die Tempelanlage der Maya ist eine der schönsten, die wir während unserer Reise zu Gesicht bekommen. Relativ ursprünglich, soweit wir das jedenfalls beurteilen können, stehen die imposanten Pyramiden inmitten des Dschungels und lassen unsere Phantasie wieder einmal verrücktspielen. Die exotischen Geräusche der Dschungeltiere tun ihr übriges diese Vorstellungen zu untermalen. Da wir gegen 16Uhr Tikal erreicht haben, sind unsere Eintrittskarten auch noch für den nächsten Tag gültig, sodass wir uns in aller Frühe aus den Zelten herausquälen, um den Sonnenaufgang über der mystischen Tempelstadt zu sehen. Nach einem kleinen Frühstück auf dem Tempel, schauen wir uns den Rest der Anlage an, den wir gestern nicht mehr gesehen haben. Der Reiz dieser Ruinen liegt im Zusammenspiel mit dem allgegenwärtigen Dschungel, der sich sicherlich im Lauf der Zeit immer mehr Platz zurückerobert hat. Aber genau dies hat Charme und gefällt mir deutlich besser als die fast schon sterilen Tempelanlagen in Mexiko. Während wir noch die Tempel besichtigen, bricht Ingo bereits nach Flores auf, wo er schon einige Tage zuvor war. Dank ihm wissen wir auch gleich noch wo wir eine nette, aber günstige Unterkunft finden, denn auch wir brechen nach der Tempeltour nach Flores auf.

Flores

Nachdem wir in der kleinen Inselstadt angekommen sind und besagtes Hostel gefunden haben, schlagen wir unser Zelt auf dem Dach auf und können den Ausblick genießen. Später treffen wir Ingo wieder und lassen den Abend mit einem leckeren Abendessen und einem Bierchen in einer nahegelegenen Bar ausklingen. Neben einigen organisatorischen Sachen, wie dem Aufstocken der Vorräte und dem Kauf eines Nierengurtes für Ulli, beschäftigen wir uns einen Großteil des Nachmittags damit, unser Zelt sturmsicher zu machen. Da der Wind immer heftiger wird und wir nicht die Möglichkeit haben Heringe als Verankerung zu nutzen, ziehen wir das Zelt mit Leinen fest und drehen es aerodynamisch in den Wind.

Fahrt nach Lanquin

Am nächsten Morgen starten wir mit den ersten Sonnenstrahlen, da wir eine längere Etappe hinter uns bringen wollen und die Straßenbedingungen nicht kennen. Wir fahren nach Lanquin, südöstlich von Flores und sind nun zu fünft unterwegs. Bereits wenige Meter außerhalb der Stadt ändert sich die Fahrbahnbeschaffenheit merklich. Aus der Asphaltstraße wird eine bucklige Dreckspiste. Des Öfteren merke ich, wie ich, mit meiner nun tiefergelegten Tenere, Kontakt zwischen Steinen und dem Motoschutz habe. Auch der Seitenständer hat für meinen Geschmack zu oft Berührungen mit den teilweise großen Steinen. Hier muss endlich was passieren. Ich brauch so schnell wie möglich die originalen Umlenkhebel, um etwas höher zu kommen. So macht das Fahren keinen Spaß.

Nachdem wir hin und wieder ein paar Asphaltabschnitte passiert haben, wechselt der Untergrund relativ überraschend zu groben und zum Teil kindskopfgroßen Steinbrocken. Gerade eben fährt man noch auf einer idyllischen Straße durch die Berge Guatemalas und im nächsten Augenblick muss man sich tunlichst überlegen ob man überhaupt noch einen Blick nach links oder rechts riskiert, um die schöne Landschaft zu genießen. Und so kommt es dann auch wie es kommen musste. Daniel findet nach einer Kurve eine kleine Einfahrt, um sich die Landschaft etwas genauer anzusehen. Joey stoppt, weil sie Daniel am Straßenrand erblickt. Jedoch kommt dieses Stopp-Manöver für Ulli etwas überraschend, da sie sich auf die vor ihr liegende Fahrbahn fokussiert. Zu spät erkennt sie, dass sie Joey ausweichen muss, was bei diesem Untergrund leicht gesagt ist. Ganz zu schweigen, dass es rechts steil bergab geht und somit eine Fehlentscheidung verhängnisvolle Folgen haben kann. Irgendwie schafft Ulli es sich zwischen Joey und dem Abhang durchzumanövrieren. Doch das Überraschungsmoment für dieses Ausweichmanöver ließ eine gut durchdachte Streckenführung nicht mehr zu. In einem wilden Ritt, teilweise fast nur auf dem Hinterrad, zieht Ulli an Joey vorbei. Einige Male sah es so aus als könnte sie die Maschine stabilisieren und ich denke aus der Ferne: „Puh geschafft“, doch einige großen Steinbrocken lagen leider an der falschen Stelle und so kommt Ulli einige Meter hinter Joey auf der Straße zum Fall. Zum Glück nicht in Richtung Abgrund und zum Glück nicht mit hoher Geschwindigkeit, sodass große Schäden ausbleiben. Lediglich die Aufnahme für die Koffer ist um nahezu 90 Grad gedreht und muss gerichtet werden. Ein oder zwei Nieten der Befestigung haben es auch nicht überlebt. So ist der Schreck auch schnell überwunden und die ersten Witze über die gelungene Stunteinlage werden gemacht. Mit großen Steinen rücken Daniel und ich der beschädigten Kofferhalterung zu Leibe. Nach einigen mehr oder weniger gezielten Schlägen mit dem groben Werkzeug, befestigen wir die Box wieder am Motorrad und es kann weiter gehen.

Einige Kilometer später erwischt es Ulli wieder, als sie nach einer Kurve vor einer großen Steigung die Fahrspur wechseln will, rutscht ihr das Bike weg. Dieses Mal ist alles harmloser. Wir haben Glück im Unglück, dass sie mit dem Bike nicht in die tiefe Auswaschung gerutscht ist, dies hätte das Aufrichten deutlich erschwert und hätte uns deutlich mehr zum Schwitzen gebracht. So hängen wir zu viert an der Tenere und versuchen sie von der Auswaschung weg auf die Straße zu ziehen. Unter Zuhilfenahme des Motors im 1. Gang gelingt uns die ganze Prozedur. Trotzdem kommen wir gut ins Schwitzen und den Anwohnern des nahegelegenen Dörfchens haben wir auch gleich noch etwas Gesprächsstoff geliefert. Ingo schien noch Kräfte übrig zu haben oder war einfach nur am falschen Ort und durfte einer alten Frau aus dem Dorf noch einen Sack Reis nach Hause tragen.
Als ob wir nicht schon mit der bescheidenen Pistenbeschaffenheit genug zu tun hätten, fängt es auch noch an zu regnen. Nun wird es noch abenteuerlicher. Steile Passagen befahren wir immer einzeln, sodass falls einer stehen bleibt der Rest nicht stoppen muss oder ins Rutschen gerät. Ich fahre als Letzter und komme an eine Stelle, die durch den Regen so rutschig geworden ist, dass ich kaum Halt bekomme. Ein Meter vor zwei Meter zurück. Absteigen geht auch nicht, zu rutschig ist der Untergrund. Trotz der Tieferlegung bekomme ich kaum Gripp mit den Beinen. Ingo der vor mir gefahren ist, merkt als erste, dass ich nicht mehr weiterkomme. Er stellt seine Tenere ab und kommt zu Fuß zurück, um mich anzuschieben. Aber auch mit vereinten Kräften kommen wir über eine nette Rutschpartie nicht hinaus. Daniel ist auch auf dem Weg zurück. Nun halten beide das Bike und ich steige ab und lasse Daniel mit seinem Größen- und Erfahrungsvorteil ans Werk. Ein wenig stabilisieren wir ihn noch, aber dann hat er die Stelle auch schon gemeistert. Einige hundert Meter weiter treffen wir dann den Rest der Gruppe und machen eine Pause. Da der Regen aber nicht aufhören will geht es bald weiter, weil wir noch einige Kilometer vor uns haben.

Irgendwann ist wird die Straße auch wieder besser und hier nehmen wir Abschied von Ingo, der heute noch nach Cobán will. Unser Weg führt uns weiter nach Lanquin, was für uns auch gleich wieder bedeutet: „Auf Wiedersehen Asphalt“. Zum Glück hat der Regen nachgelassen und die Piste ist relativ gut befahrbar. Zumindest für einige Kilometer. Irgendwann, an einer Weggabelung, winkt uns ein Einheimischer zu sich heran, der noch ein paar Unterkünfte zu vergeben hat und uns auch gleich noch Bescheid gibt, dass die nun folgende Strecke kaum mehr passierbar ist. Wir beraten uns kurz und wollen so kurz vor dem Ziel nicht aufgeben. Also fahren wir weiter. Fahren trifft es aber bald schon nicht mehr, wir rutschen und driften eher auf dem Schlamm. Nun heißt es „Durchhalten“. Nach einer letzten Rutschpartie bergab auf einer nassen und schlammigen Kopfsteinpflasterstraße, sind wir an unserer Unterkunft angekommen. Hier gibt es zwar leider nur ein 3-Mann-Zimmer für uns vier, aber das ist uns nach diesem Tag egal.
Es ist nun bereits 18.30Uhr und somit dunkel. Nach 11,5 Stunden haben wir eine der anspruchsvollsten Etappen unserer Reise gemeistert. Gut, dass wir so zeitig gestartet sind. Jetzt ist Entspannen und Trocknen angesagt.

Nachdem wir uns von dem anstrengenden Tag bei einem ausgiebigen Frühstück erholt haben, fahren wir, dieses Mal vorzugsweise mit einem 4×4 Pick-up, nach Semuc Champey. 10 Kilometer sind es bis zum heutigen Ziel, diese haben es aber in sich. Teilweise ist der Boden noch schlammig und andererseits beinhaltet die Strecke Steigungen an denen man nicht anhalten möchte. Dies ist aber durch den ständigen Gegenverkehr nicht auszuschließen. Die Trucks und Pick-ups werden für uns auf den Bikes jedenfalls keinen Platz machen. Einige Autos schaffen die Steigungen selbst mit Schwung nicht und rutschen hin und her. Wir sind froh, dass wir uns für die 4×4 Variante entschieden haben und kommen entspannt bei den natürlich-blau-grünen Pools an. Nach einem schweißtreibenden Marsch zu einem Aussichtspunkt sehen wir uns die Pools von oben an. Es ist wieder einmal erstaunlich, was die Natur alles geschaffen hat. Nach einer kurzen Verschnaufpause geht es aber wieder abwärts. Unten angekommen, erkennen wir, dass die gesamten Pools auch noch von einem Fluss unterspült sind, was die „Anlage“ noch interessanter macht. Jetzt ist es aber Zeit für eine Abkühlung und wir gehen in den Pools baden. Auf dem Rückweg merken wir erst, dass der untere Teil der Pools noch schöner und weniger besucht ist, aber nun ist es schon zu spät und wir treten die Rücktour an. In unserer Unterkunft angekommen erblicken wir im Bad eine kleine Überraschung. Ein Skorpion fühlt sich scheinbar im Abflusssystem sehr wohl. Wir sind jedoch nicht so erpicht auf diesen Gast und versuchen ihr einzufangen. Dies gelingt uns aber nicht, sodass er wieder in die Öffnung des Waschbeckens verschwindet. Wir hoffen, dass wir von ihm in der Nacht in Ruhe gelassen werden und auch nicht aus Versehen auf ihn drauf treten.

Ohne weitere Skorpionvorkommnisse starten wir am Montag nach Coban. Wir hoffen, dass die Piste etwas abgetrocknet ist, aber leider ist das nicht der Fall. So schlittern wie abermals diese Straße entlang. An einer Kurve am Hang stoppen wir, da der Verkehr von unten Schwung und Platz braucht, um die Kurve zu bekommen. Fahrerisch trennt sich hier die Spreu vom Weizen. Einige der Fahrer wissen nicht einmal, dass sie Allrad haben oder wie dieser zu aktivieren ist. Andere sind so cool und filmen die Fahrt mit dem Handy in der linken Hand und rutschen dabei geradewegs von der Piste in den Graben. So haben sie wenigsten eine nette Erinnerung. Das diese Aktion alle anderen Fahrer wieder Zeit kostet, ist hier glaube ich nicht sonderlich relevant. Obwohl es immer wieder ein paar gibt, die es besonders eilig haben und an den bereits stehenden Autos vorbeiziehen obwohl der Gegenverkehr schon in Sicht ist und es kaum Ausweichmöglichkeiten gibt. Irgendwie geht es dann aber doch. Wir schlittern vorsichtig die Straße herunter und sind nach einigen Kilometern aus dem Gröbsten raus. Aber zu früh gefreut nun fängt es wieder an zu regnen und wir fahren den restlichen Weg mit viel Nebel und Regen nach Coban. Hier ist es gleich wieder so warm, dass man in den Regensachen förmlich gekocht wird. Zum Glück hat uns Ingo einen Tipp für eine gute Unterkunft geschickt, sodass wir wenigstens nicht allzu lange suchen müssen.


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