Kananaskis Country – von der letzten Wildnis in die Millionenstadt

02. bis 05. August

Irgendwo in Banff NP waren wir mit einem älteren Ehepaar aus England ins Gespräch gekommen. Sie gaben uns den Tipp ins Kananaskis Country zu fahren. Diese Region der Rocky Mountains liegt südlich von Banff, ist ähnlich schön und gebührenfrei. Wir fahren von Canmore aus eine Bergstraße hoch und bald geht die Asphaltstraße in eine Gravelroad (Schotterpiste) über. Es ist schonfast 18:00 Uhr und irgendwie haben wir beide keine so rechte Lust auf Schotter, zumal dieser hier recht tief war und sich sehr schwammig fahren ließ. Nach einigen Meilen stoppen wir und entscheiden uns zurück zu fahren. Es war wohl eine psychologische Sache, denn wir sind sonst solche Strecken ohne größere Probleme gefahren. Wir fühlten uns einfach unsicher, vielleicht aus Müdigkeit oder weil wir nicht darauf eingestellt waren und einfach nur unser Lager aufschlagen wollten. Es wird immer später und später und überall sind Schilder mit „Campen verboten“. Wir landen in einem kleinen Kaff und fragen den einzigen Menschen den wir dort antreffen, ob wir hinter seinem Haus unser Zelt aufschlagen dürfen. Er hat nichts dagegen, die Wiese gehört ohnehin zur Schule des Ortes. Zum Glück ist Samstag. Erleichtert fallen wir in die Schlafsäcke.

Morgens geht es wieder zurück ins Kananaskis Country. Wir fahren an verschiedenen Bergen mit interessanten Felsformationen vorbei und halten dabei nach geeigneten Plätzen für das Zelt Ausschau. An der einzigen Straße gibt es keine Möglichkeiten, denn an den Rest Areas stehen wieder überall Verbotsschilder und die Campingplätze sind voll, da wir in Kanada ein langes Wochenende mit Feiertag haben. Schließlich finden wir eine kleine Einfahrt in den Wald, kurz vor dem „Mist Creek“. Die kleine Einfahrt ist gerade lang genug, sodass man unser Zelt von der Straße aus kaum sehen kann. Es erscheint uns zunächst nicht als idealer Zeltplatz, da auch der nächste Fluss recht weit weg ist, doch am Ende bleiben wir dort für 3 Nächte. Am zweiten Tag unternehmen wir eine Wanderung entlang des „Mist Creek Trails“. Wir wandern 3 Stunden durch den dichten Wald, bis wir endlich wieder die Berge sehen. Am Ende folgt ein steiler Anstieg und wir werden mit einem herrlichen Ausblick belohnt. Da schmecken auch das gekochte Ei, der Apfel und der Nuss-Fruchtmix hervorragend. Gerade liegen wir 10 Minuten auf der Höhenwiese, als eine dunkle Wolkendecke über den Bergkamm zu uns hinüber zieht und die ersten Blitze hervorbringt. Daher ist es wohl besser den Rückzug anzutreten. Wir laufen also wieder 3 Stunden durch den Wald zurück. Zuerst hatten wir uns etwas geärgert, dass der Weg nur durch Wald führt und wir kaum etwas von der Landschaft ringsherum sehen konnten. Doch hatte die Wanderung durch den Wald auch etwas Meditatives: man musste nicht ständig neue Eindrücke verarbeiten und konnte sich in seinen Gedanken verlieren. Die 26 km lange Tour war außerdem eine wilkommene Abwechslung zur einseitigen Haltung auf dem Motorrad. Eine Besonderheit hatte das Kananaskis Country noch: immer wenn wir abends kochen wollten, fing es an zu regnen. Davon hatten wir dann nach drei Tagen doch genug – Zeit um weiterzuziehen.

Wir verlassen das Kananaskis Country in Richtung Süden. Die Landschaft wechselt von schroffen Felsen der Rockies in hügelige Weidelandschaften mit Rindern, Pferden und Ranches. Die Vegetation erinnert uns plötzlich an die australisches Atherton Tablelands. Es ist nicht mehr weit bis nach Calgary. Im Vorfeld hatten wir etliche SERVAS und Couchsurfing Kontakte angeschrieben, um in der Großstadt unterzukommen. Leider ohne Erfolg. Einziger Hoffnungsschimmer war John, der kurzfristig andere Gäste bekommen hat, uns aber vielleicht das Zelt in den Hinterhof aufstellen lässt. Optimistisch fahren wir in Richtung Stadt. Plötzlich finden wir uns auf einem dreispurigen Highway mit hohem Verkehrsaufkommen wieder. Wo kommen plötzlich all die Autos her? Es fühlt sich an als würden wir in eine große Millionenstadt einfahren. Calgary und Umgebung haben zumindest eine Million Einwohner. John und seine Familie begrüßen uns herzlich. Wir fahren zum Farmers Market, wo John und Coleen einige frische Sachen für das Abendbrot einkaufen, darunter saftige Kirschen aus B.C., Hamburger Buns, Olivenbrot und einiges mehr. Wir können uns zumindest ein wenig mit einer 10 Dollar Familienpackung Popcorn revanchieren. Am Mittwoch nehmen wir uns Zeit für Calgary Downtown. Wir laufen die Fußgängerzone entlang und verweilen bei einem kleinen Open Air Konzert. Wir lauschen einer australischen Sängerin (Emaline Delapaix), die seit ein paar Jahren in Mecklemburg Vorpommern in einem Wohnwagen lebt und nun mit ihrem Musikpartner durch Kanada tourt. Ihre Stimme und die ausdrucksstarken Texte ziehen uns in ihren Bann. Es ist schön, mal wieder aktiv Musik zu hören. John hat uns einen Hot Dog Laden etwas außerhalb des City Centers empfohlen, welchen wir nach 45 Minuten Fußmarsch erreichen. Der Hotdog mit Spezialsauce und hausgemachten Kartoffelchips on top stärkt uns für die weitere Stadtbegehung. Am Ende des Tages wissen wir, dass größere Städte gar nicht von so großem Interesse für uns sind. Betonklötzer gleichen sich in der westlichen Welt und den Straßenlärm brauchen wir auch nicht. Einkaufen können wir sowieso nichts, da wir ohnehin wenig Platz auf den Motorrädern haben und wir brauchen momentan auch nichts. Die Hektik in der Stadt erinnert uns ein weinig an den deutschen Alltag.

Am Abend treffen weitere SERVAS Gäste ein – zwei junge Mädels aus Süddeutschland – und so steht es an diesem Abend in unserer Runde Kanada-Deutschland 4:4. Wir feiern dies gemeinsam mit Pecanuss Kuchen und Geschichten über Bären und Reisen. Am nächsten Morgen heißt es mal wieder Abschied nehmen. Wir verlassen Calgary in Richtung Osten und schnell wird uns klar: die Wildnis des Nordens haben wir nun endgültig hinter uns gelassen. Hier befinden wir uns im Farm und Ranch Land: Zäune, Felder, Rinder, Kleinstädte und Ölpumpen bilden einen scharfen Kontrast zum wald- und gebirgsreichen Norden.


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