Mount Evans

16. – 19. September

Am Abend fahren wir nach circa 330 Meilen auf der Interstate zu einem wunderschönen Zeltplatz inmitten zahlreicher Gesteinsformationen, die teilweise an das Elbsandsteingebirge erinnern. Gern hätten wir diese Gegend etwas mehr erkundet, aber das Wetter treibt uns an weiter in den Süden zu fahren. So fahren wir auch relativ untypisch für uns die nächsten Kilometer ohne viele Stopps und dies obwohl wir uns im Herbst im wunderschönen Colorado befinden. Die Farbvielfalt der Wälder ist dabei einfach genial und ehrlich gesagt, habe ich früher das eine oder andere Foto solcher Szenarien für unecht und nachbearbeitet gehalten, aber nun bin ich eines besseren belehrt wurden – die Farben sind großartig. Zwischendurch haben wir auch mal 85 Octan Benzin getankt, doch nachdem wir deutlich den Leistungsverslust der Motorräder gespürt haben, steigen wir wieder auf 87 Octan um. Die Maximalgeschwindigkeit lag nämlich plötzlich nur noch bei 110 km/h (von normalerweise 150) und das Beschleunigungsvermögen entsprach dem einer lahmen Ente.

Unser nächstes Ziel liegt etwa 70km entfernt von Denver und heißt Mount Evans. Mit einer Höhe von 4.350m gehört er zu den höchsten Bergen der USA und das Beste daran ist, dass man anhand einer asphaltierten Straße den Gipfel erreichen kann. Da es aber schon spät geworden ist, bleibt uns erst mal nichts anderes übrig als mal wieder einen Übernachtungsplatz zu finden. So fahren wir etwas an den Stadtrand Idaho Springs und fragen bei Matt und Adrienne ob wir unser Zelt für eine Nacht in ihrem Garten aufbauen können. Nachdem wir das Zelt aufgebaut haben, werden wir auch gleich zu leckeren selbstgebackenen Keksen eingeladen. Mit den Beiden unterhalten wir uns dann noch bis spät Abends, und dass obwohl Adrienne verdammt zeitig aufstehen muss. Am nächsten Morgen starten wir nach einem leckeren Frühstück mit Matt zu unserer Bergwanderung und sind guter Dinge, dass wir mit den Bikes noch bis zum Gipfel fahren können, denn in wenigen Tagen wird die Straße dort hin, wegen möglicher Schneefälle, geschlossen. Auch wir würden gern die Aussicht genießen und freuen uns auf einen entspannten „Aufstieg“ mit den Motorrädern. Bereits der Weg dort hin ist eine reine Augenweide. Viele Bäume mit gelb leuchtendem Laub säumen den Straßenrand und bilden einen sehr schönen Kontrast zu den restlichen grünen Laub- und Nadelbäumen. Deutlich verstärkt wird dieser Kontrast, wenn die Sonne das Laub von hinten durchleuchtet.

So schön die Farben auch sind, dass für uns nun Sichtbare verdirbt uns auf den ersten Blick gehörig die Laune. Wir sehen am Beginn der Auffahrt zum Gipfel ein Schild mit der Aufschrift „Closed“ (geschlossen). Auch das Schrankenhäuschen ist unbesetzt und lässt uns böses ahnen. Denn in den USA schließen viele Museen und Naturdenkmäler nach dem Labor Day. Wir schauen uns die Sache mal genauer an. Auf dem Schild wird ersichtlich, dass nur der obere Teil der Zufahrt gesperrt ist und wir zumindest bis zum Summit Lake fahren können. Deutlich ernüchtert führt uns nun die Straße immer weiter den Berg hinauf und hinter jeder Kurve vermute ich nun, dass die Fahrt gleich zu Ende ist. Aber die Fahrt zieht sich noch ordentlich hin. 4.350m an Höhe erklimmt man dann doch nicht so schnell. Von weiten sehe ich nun schon die Straßensperrung und bin etwas enttäuscht, dass uns der Rest vorenthalten bleiben soll. Deshalb dauert es eine Weile, bis das Panorama richtig auf uns wirken kann. Wir parken die Bikes und schauen uns ein wenig um. Dabei treffen wir auf ein polnisches Paar, welches sich dazu entschieden hat die letzten 5 Meilen der Straße hochzulaufen. Wir überlegen auch kurz und entscheiden uns dagegen. In einem kurzen Gespräch mit einem Ranger macht dieser uns den Mount Evans Trail schmackhaft, den wir dann auch in Angriff nehmen.

Wir befinden uns zu diesem Zeitpunkt bereits auf über 3.000m Höhe. Schnell tauschen wir die Motorradstiefel gegen Wanderschuhe und machen uns auf den Weg. Bereits nach dem ersten Aufstieg macht sich die Höhe bemerkbar und wir merken, dass wir ordentlich nach Luft japsen. Es nutzt nichts, wir wollen weiter. Teilweise können wir den Trail nur erahnen uns spätestens wenn wir an Stellen kommen, die dann doch nicht nach einem Trail aussehen, suchen wir wieder den richtigen Weg. Das Wetter meint es an diesem Tag gut mit uns und treibt die Temperatur zusätzlich in die Höhe. Eigentlich wollten wir ja nur schnell hochfahren und die Aussicht genießen, aber nun befinden wir uns auf einer Wanderung, die uns einiges abverlangt. Die grandiose Weitsicht und das Panorama mit dem Mount Evans entschädigen aber für diese Anstrengungen. So geht es Schritt für Schritt höher und höher und die Luft wird immer dünner. Dies bekommt vor allem Ulli zu spüren. Ihr macht die Höhenluft sichtlich zu schaffen. Hinzu kommt noch, dass der zuvor durch den Ranger als einfach beschriebene Trail immer felsiger wird. Die Wegemarkierungen fallen immer spärlicher aus und führen uns auf so manchen Umweg. Am süd-westlichen Hang kommen dann auch noch kleine Klettereinlagen über Steinblöcke hinzu, die auf Grund der Steilheit des Hangs einige Überwindung kosten. Die letzten Meter ziehen Wolken auf und sorgen mit einigen Schneeflocken zwar für etwas Abkühlung. Der Donner hingegen lässt unsere Besorgnis wachsen und wir fragen uns das ein oder andere Mal ob dies so eine gute Idee war. Wir entschließen uns weiter zu machen und meistern die letzten Meter zum Gipfel im Schneckentempo, aber wir sind da. Wir haben es geschafft.

Auf dem Gipfel treffen wir dann auch Evan aus Kanada, der uns kurze Zeit vorher überholt hatte, wieder. Gemeinsam mit ein paar anderen Wanderern genießen wir die wunderschöne Aussicht und essen dabei unseren mitgebrachten Kuchen. Da wir eigentlich davon ausgegangen waren mit den Bikes hier hoch zu fahren beziehungsweise weil der Ranger sagte, dass es ein leichter Aufstieg sei, nahmen wir den „Gipfelkuchen“ mit auf den Weg. Nachdem wir uns dann etwas von den Strapazen erholt haben, geht es wieder Berg ab, aber dieses Mal auf der Straße. Nach einem Fotoshooting mit einer Bergziege und nur einigen Metern auf der Straße zieht sich der Himmel schnell zu und es beginnt zu blitzen und hageln. Was nun? Da das Gewitter sich nicht unmittelbar auf uns zubewegt entscheiden wir uns weiter zu gehen und den Hagel in Kauf zunehmen. Mitten im Hagelsturm treffen wir dann auch noch auf eine Herde Bergziegen. Zum Glück hört der Hagel auf und wir können auch hier noch einige Fotos machen. Dann geht es aber unaufhaltsam Berg ab. Fast am Parkplatz angekommen, merke ich wie mir die Sonne zusetzt, aber nun ist es fast schon zu spät. Leichte Kopfschmerzen machen sich bemerkbar, aber da muss ich nun durch. Gleich ist es geschafft. Aus der Ferne sehen wir bereits die Motorräder und freuen uns, dass diese noch an Ort uns Stelle sind. Da uns diese Wanderung deutlich mehr Zeit gekostet hat als geplant und wir ziemlich erschöpft sind, entscheiden wir uns nicht mehr zu unserem für heute geplanten Ziel zu fahren. Schweren Herzens fragen wir erneut bei Matt und Adrienne nach ob wir nochmals ihre Gastfreundschaft in Anspruch nehmen können. Wie selbstverständlich sagen die Beiden abermals „ja“ und lassen uns in ihrem Garten campen.  

Black Canyon of the Gunnison

Am nächsten Morgen (Donnerstag, 18.09.) fahren wir zeitig weiter zum Black Canyon of the Gunnison. Dabei durchfahren wir nochmals schöne Teile Colorados und sind etwas traurig, dass wir hier nicht mehr Zeit verbringen. Auf dem Weg zu unserem heutigen Ziel fahren wir auch über den Monarch Pass, der direkt auf der Kontinentalscheide (Continental Divide) liegt. An dieser Stelle entscheiden nur wenige Zentimeter ob Regenwasser in den Atlantik oder Pazifik fließt. Am Abend campen wir auf einem zum Black Canyon of the Gunnison zugehörigen Zeltplatz und treffen beim Abendessen am Sunset Point des Canyons auf Dan aus Calgary. Er ist mit seiner KLR (ein hier weit verbreitetes Motorradmodell von Kawasaki, ähnlich wie unserer Tenere) von Kanada nach Zentralamerika gefahren und nun auf dem Rückweg. Wenn das keine perfekte Gesprächsgrundlage ist? So sehr ins Gespräch vertieft, verpassen wir auch fast den Sonnenuntergang. Am Folgetag gehen wir dem Canyon auf den Grund und fahren eine steile Straße herunter ins Tal. Es ist schon beeindruckend wie unterschiedlich ein und derselbe Canyon aus den verschiedenen Perspektiven aussieht. Wieder oben angekommen, besuchen wir noch einige sehenswürdige Punkte des Canyons, wie die Painted Wall und den Chasm Point. Dann heißt es für uns Aufbruch nach Utah.


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