Costa Rica

10.-17. Juni 2015
 
Schon beim Grenzübergang kündigte sich an was uns in Costa Rica, der „Schweiz Zentralamerikas“ erwarten würde: viel Regen und hohe Preise. Einige Male laufe ich mit unseren Dokumenten im Regen hin und her, um zu suchen wo wir die Versicherung kaufen können und um die üblichen Kopien zu machen. Nach 3 Stunden ist alles erledigt und wir können endlich ins Land einreisen.
 
Unsere erste Anlaufstelle ist eine von zwei Schweizern geführte Finca, nicht weit hinter der Grenze. Dort können wir unser Zelt unter einem Vordach aufstellen und entkommen so dem Regen. Wir treffen hier zufällig zwei Deutsche wieder, die wir in El Salvador am Strand zum ersten Mal mit ihrem Campingfahrzeug gesehen hatten. Es sind noch zwei andere Deutsche mit eigenem Fahrzeug da und so sitzen wir an unserem ersten Abend in Costa Rica in deutscher Runde und bekommen von unseren Gastherren Schweizer Küche gereicht. Während dieser wohltuenden Stärkung erzählt uns der Schweizer, welcher vor einigen Jahren nach Costa Rica eingewandert ist, über sein Leben hier. Er berichtet vor allem von den Schattenseiten. Es sei schwer, zuverlässiges Personal zu finden und an vertrauensvolle Freundschaften mit Costa Ricanern sei nicht zu denken. Die Mentalitätsunterschiede sind einfach zu groß.
 
Am Morgen schwingt sich eine ganze Affenbande nahe unserem Zelt durch die Bäume. Die Hunde spielen verrückt und würden am liebsten die Bäume hinauf klettern. Es kam wohl schon vor, das ein Affe vom Baum fiel und von den Hunden getötet wurde.
 
Wir hatten von einer deutschen Bäckerei gehört, in der viele Motorradreisende einkehren, da der Besitzer auch begeisterter Motorradfahrer ist. Sie befindet sich am Lago Arenal, nahe des Vulkans Arenal. Auf den letzten 10 Kilometern vor der Bäckerei machen große Werbeschilder auf die German Bakery aufmerksam und lassen unsere Vorfreude auf „richtiges“ Brot weiter ansteigen. Den „Brotzeitteller“ mit Käse und Wurst lassen wir uns richtig schmecken. Im Laden gibt es sogar Ritter Sport Schokolade, doch bei $4 bleibt sie leider im Schrank stehen. Am Seeufer finden wir einen Platz für unser Zelt, seit langem schlagen wir es wieder „wild“ auf. Von weitem sehen wir schon das Unwetter herannahen und mit dem abspannen des Tarps über unseren Unterschlupf fällt auch schon der erste dicke Tropfen des stundenlang anhaltenden Regens. Am Morgen begrüßt uns ein Tausendfüßler, der in meiner Motorradhose herumkrabbelt.
 
Die Fahrt um den Lago Arenal macht auf der kurvenreichen und verkehrsarmen Straße viel Spaß. Der gleichnamige Bilderbuch-Vulkan, der bis vor einigen Jahren noch regelmäßig Lava gespuckt hat, ist derzeit leider nicht aktiv, aber dennoch schön anzusehen, wie er aus dem Dschungel hinausragt. Die Fahrt nach San Jose führt uns weiter über den „Todespass“, eine kurvige Asphaltstraße durch die Berge, die ihrem Namen auf Grund der oft harschen Wetterbedingen hat. Bei dem extrem dichten Nebel ist nur eine sehr langsame Fahrt möglich. An ein Überholen der schleichenden LKWs ist kaum zu denken, zumal auch in diesem Land viele Leute kein Licht am Auto haben oder nicht wissen wie und wann man es benutzt. Später fängt es an derart zu regnen, das wir gezwungen sind anzuhalten.
 
Nahe von San Jose hat uns eine Freundin ein Paket aus der Heimat hinterlegt. In dem Reisebüro holen wir uns also unsere neuen Hosen und Gummibärchen ab, quasi ein „Ostpaket“. Danke dafür nochmal an Leslie. Endlich in der Hauptstadt angekommen, suchen wir den Buchladen, indem der Sohn unserer Servas-Gastgeberin Carmen wohnt. Diese wollten wir besuchen, um unsere Mitgliedschaft für die internationale Austauschorganisation zu verlängern. Nur mit einem gültigen Stempel auf dem Papier können wir potenzielle Gastgeber kontaktieren. Er ruft seine Mutter an, damit sie uns abholt. Carmen kommt zu Fuß, scheinbar hatte sie überlesen dass wir mit den Motorrädern kommen. Es regnet schon wieder und es wird dunkel, eine Entscheidung muss her, ob wir bei ihr unterkommen können oder nicht. Wir hoffen, dass sie uns trotzdem akzeptiert, denn wir sind von der Tagesfahrt ziemlich platt und wie die Unterkunftspreise hier in der Stadt sind, wollen wir uns gar nicht ausmalen. Mutter und Sohn diskutieren, ob die Bikes in den Vorgarten passen, auf der Straße könnten wir sie aus Sicherheitsgründen unmöglich stehen lassen. Der Sohn ist überzeugt, dass wir die Bikes ins Haus schieben könnten. Carmen nimmt also ein Taxi und wir fahren hinterher. In der Straße, in der sie wohnt, sind alle Häuser und deren Vorgärten mit Gittern abgesichert. Wir sehen auf den ersten Blick, dass wir die Bikes niemals durch die Tür ihres Hauses bekommen würden und selbst wenn es gehen würde, wäre die Wohnstube nicht mehr nutzbar und wir würden sie komplett mit den nassen Bikes einsauen. Carmen organisiert uns in der Garage vom Nachbar eine Unterstellmöglichkeit für die Bikes. Für diese Nachbarschaftshilfe berechnet er allerdings 11 Dollar für zwei Nächte.
 
Carmen ist eine hartgesottene und fidele 81-Jährige die genau weiß was sie will. Bei manchen ihrer Kommentare können wir kaum sagen ob es Ernst oder Spaß ist. Im Grunde ist sie eine herzensgute Frau mit genauen Vorstellungen wie die Dinge zu sein haben. Den nächsten Tag machen wir mit ihr einen Stadtrundgang in der Innenstadt von San Jose. Nachdem wir eine ganze Zeit umhergelaufen sind, gönnen wir uns alle einen Hot Dog und machen uns auf den Rückweg. Als es anfängt zu regnen, flitzt Carmen plötzlich los in Richtung Bus, so wie wir es noch nicht von einer über 80-jährigen gesehen haben. Als wir durch ihr Viertel laufen, schlägt sie spontan, ohne ein Wort zu sagen, eine auf der Mauer liegende Cola Dose mit ihrem Regenschirm auf die Straße. Ich schaue rüber zu Stephan und sehe dass er genauso in sich reinschmunzeln muss wie ich. Streng gläubig schaut sie die Sonntagsmesse im Fernseher, hängt dem Priester an den Lippen und spricht an einigen Stellen mit. Nach zwei Nächten verabschieden wir uns wieder. Da wir nicht viel länger in Costa Rica bleiben wollen, haben wir uns für ein Ziel entschieden: den Mauro Antonio National Park. Der Corcovado Nationalpark wäre eigentlich unser Favorit gewesen, doch mussten wir erfahren, dass man diesen mittlerweile nur im Rahmen teurer Touren besichtigen kann.
 
Bezüglich des Manuel Antonio Parks war uns eigentlich vorher schon klar, dass wir in einer Touristenhochburg landen würden. Wir hatten jedoch auf eine üppige Tierwelt gehofft, eine Erwartungshaltung die sich auch bei einem Tageseintritt von $16 pro Person aufbaut. Die Ausbeute hielt sich allerdings in Grenzen. Wir sehen ein paar kleine Äffchen, Echsen und Waschbären welche die Mülltonnen am Strand plündern. Faultiere und größere Echsen entziehen sich leider unseren Blicken. Damit sich der Parkbesuch wirklich lohnt, hätten wir uns einen Guide nehmen müssen. Die wissen genau, wann sich wo welche Tiere an ihren Stammplätzen aufhalten und haben ihre Fernrohre dabei. Leider kostet solch ein Guide $20 pro Person. Im Grunde hätten wir einen Guide nehmen müssen oder es ganz lassen sollen. So waren wir entsprechend unseren anfangs hohen Erwartungen etwas enttäuscht. Dennoch ist der traumhaft an der Küste liegende Park einen Besuch wert, vor allem wenn man gerne in paradiesischer Umgebung baden geht.
 
Wir sagen schon wieder „Good Bye“ zu Costa Rica. Wir haben das Land nicht wirklich kennengelernt. Es enthält viele Naturschätze, die aber mittlerweile entweder touristisch voll erschlossen und dementsprechend teuer und überlaufen sind, oder sie sind so unzugänglich, das wir nicht hinkommen.
 
Costa Rica ist das erste Land Zentralamerikas, welches es geschafft hat, seine Naturschätze zu verkaufen und international zu vermarkten. Zusätzlich von US-Amerikanern unterwandert, ist nicht mehr viel Ursprüngliches vom Land erhalten geblieben. Es ist das perfekte Reiseland für Urlauber mit viel Geld, welche All-Inklusive Angebote mögen, um entspannt Natur zu erleben ohne ihr ausgesetzt sein zu müssen. Es gibt etliche „Adventure“ Tour Angebote, doch wie wir wissen, sind Abenteuer die man kaufen, meistens keine. Auf der anderen Seite haben wir einen Termin: unseren Flug nach Kuba von Panama City aus. So kommt es, dass wir das Land, welches wir vor Antritt der Reise als eines der Hauptziele Zentralamerikas gesehen haben, nach nur einer Woche wieder verlassen. Das Land hat sicherlich viel zu bieten, nur haben wir hier für uns nicht gefunden, was wir gesucht haben.
 


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Straße des Friedens

14.-21.05.2015
 
Wir verabschieden uns von Gabriel und seiner Familie und fahren los, ohne unser Tagesziel zu kennen. Wir dachten die Region um San Vicente könnte interessant sein, aber nach einem kurzen Abstecher in die kleine Stadt wissen wir nicht, warum wir bleiben sollten und entscheiden uns weiter zu fahren. Vor einigen Tagen hatte ich in einem deutschen Online Zeitungsartikel von Perquin und der Ruta de La Paz (Straße des Friedens) gelesen. In dem Gebiet im Nordosten des Landes kämpfte während des Bürgerkrieges in El Salvador (1980-91) verstärkt die Guerilla der Rebellenarmee FMLN (Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí). Wir machen also das „Museo de la Revolucion“, welches von ehemaligen Guerillas errichtet wurde und betreut wird, zu unserem Tagesziel. Wir kommen noch rechtzeitig an und können das Museum für $1.50 Eintrittsgebühr besichtigen. Zu sehen sind unter anderem Reste eines abgeschossenen Hubschraubers, Bomber, Mörser sowie eine Sammlung von Utensilien und Waffen der Guerillas. Das Museum erklärt leider keine historischen Fakten oder Zusammenhänge. So bleibt es dem Betrachter überlassen, sich aus den vielen Fotos, Plakaten und Zeitungsartikeln ein Bild zu machen. Einige der Plakate und Artikel sind sogar aus Deutschland: („Solidarität mit dem Volke von El Salvador“ usw.).
 
Ein Artikel der ASTA TU Berlin ist besonders ernüchternd: er erklärt, dass in den achtziger Jahren zwei Drittel der Devisenerlöse El Salvadors durch Kaffeeexport erwirtschaftet wurden. Von diesem Geld wurde der Krieg gegen die eigene Bevölkerung finanziert. Einige Länder, wie die Niederlande, hätten aus Protest gegen die Menschenrechtsverletzungen den Kauf von Kaffee aus El Salvador fast vollständig eingestellt. Nicht so die BRD, welche die Importe zu dieser Zeit sogar erhöht hat. Alle großen deutschen Kaffeeunternehmen, wie Eduscho, Jakobs, Melitta, Tschibo und die Aldi Hausmarke nutzten El Salvadorianischen Kaffee in ihrer Mischung. Der deutsche Kaffee-Konsument hat somit indirekt den Krieg mitfinanziert.
Hintergrund des Bürgerkrieges war die ungleiche Verteilung von Landbesitz: 3% der Bevölkerung besaßen 54% des Landes. 430 000 Familien haben gar keinen Zugang zu Land gehabt. Die wenigen Großgrundbesitzer ließen auf allen verfügbaren fruchtbaren Böden Kaffeeplantagen errichten, weil sich dies besonders im Auslandsgeschäft rentierte. Die vielen Kaffeeplantagen ließen in einem Land, welches ungefähr so groß ist wie Hessen, nur noch wenig Raum für den Anbau von Lebensmitteln. Die Bauern wurden ihrer Lebensgrundlage entzogen und die Nahrungsmittel wurden knapp. Die Forderungen der Bauern nach einer gerechteren Umverteilung des Landes wurden mit unerbittlichen Repressionen beantwortet. Militär, Polizei und Todesschwadronen haben innerhalb von 10 Jahren 70.000 Menschen umgebracht. Die USA finanzierte zum großen Teil das El Salvadorianische Militär und unterstütze es mit Gerätschaft und Militärberatern. Der Staat El Salvador machte somit Schulden bei den USA, die er unmöglich abbezahlen kann und somit befindet sich El Salvador nun nach dem Bürgerkrieg in Abhängigkeit. Gabriel erzählte uns, das El Salvador mit Männern bezahlt, die in die US-Armee eingezogen werden und nun auf anderen Teilen der Welt für die USA kämpfen. Ob das stimmt konnten wir nicht herausfinden, was auch daran liegen mag, dass solche Dinge nicht unbedingt veröffentlicht werden. In folgendem Artikel wird von freiwilligen Söldnern unter anderem aus El Salvador berichtet, die für einen Billiglohn für die USA im Irak und Afghanistan in den Krieg ziehen.
 
http://www.stern.de/politik/ausland/panamericana-billiges-kanonenfutter-fuer-den-irak-3755990.html
 
Dem Museum ist ein altes Guerilla Camp angeschlossen. Im Wald können wir so den typischen Aufbau eines Camps begutachten: mehrere Tunnel, eine Untergrund-Radio-Station, Hängebrücken, eine Kochstelle und vereinzelte Zelte. Die Hospitalstation ist ein Zelt aus Ästen, abgedeckt mit schwarzer Plastikfolie. Die Innenausstattung besteht aus einer Pritsche und einem Infusionsbeutel. Die Infusionen beinhalteten damals Kokoswasser, Salz und Zucker. An zwei Ständen sind Waffen und Munition ausgestellt: alte Bomben, verschiedene Schusswaffen, Patronenmagazine, Granaten usw.. Ein Bombeneinschlagskrater zeugt von der Originalität des Schauplatzes. Eduardo, ein ehemaliger Guerilla Kämpfer führt uns durch die Außenanlage. Im Alter von 8-16 Jahren hat er selbst in dieser Gegend gekämpft. Die Hälfte der Guerilla Krieger waren Kinder und Jugendliche bis 20 Jahren.
 
Nach Absprache dürfen wir unser Zelt für eine Nacht für 2 USD auf dem Gelände hinter dem Museumsgebäude aufschlagen. So bleibt uns noch Zeit zum Mirador aufzusteigen, von dem aus wir einen Blick in die Berge von Honduras werfen können. Zum Abendbrot gibt es im Dorf Pupusas und ein kühles Pilsener auf dem sehr gepflegten Marktplatz, bevor wir uns ins Zelt verkriechen.
 
Am folgenden Tag besuchen wir einen weiteren Schauplatz des grausigen Bürgerkrieges: El Mozote. Vom 11.-13. Dezember 1981 fand in diesem Dorf ein Massaker unvorstellbaren Ausmaßes statt: alle der fast 1000 Dorfbewohner wurden ermordet. Die Gräueltat wurde von einem von der Regierung gesandtem und von US-Soldaten trainiertem Bataillon begangen, weil man fürchtete, dass die Kinder zu späteren Guerilla Kriegern heranwachsen könnten. Die Dorfbewohner sollten sich auf dem Hauptplatz versammeln und anschließend wurden Männer, Frauen und Kinder voneinander getrennt. Als erstes wurden die Männer ermordet, dann die Frauen und Mädchen vergewaltigt und ermordet und zum Schluss wurden die in der Dorfkirche eingesperrten Kinder und Babys getötet. Die Morde wurden mit Schusswaffen und Macheten begangen. Im Anschluss wurden die Gebäude in Brand gesetzt.
 
Heute erinnern Gedenktafeln an jede einzelne Familie mit Namen aller Ermordeten. Die damals circa 40 Jahre alte Rufina Amaya war einzige Überlebende und Zeugin, weil sie sich hinter Bäumen verstecken konnte. Die Frau, welche mit einem Mal ihre Familie und Gemeinschaft in der sie gelebt hat verloren hat und die Tötung ihres Mannes und ihrer vier Kinder von ihrem Versteck aus mit ansehen musste, hat sich noch jahrelang danach für die Angehörigen der Opfer eingesetzt. Eine Straße führt weiter hinter das Dorf wo nach wenigen Kilometern ein Denkmal des Friedens gesetzt wurde. In einem Kreis stehen Statuen von Botschaftern von Frieden und Menschlichkeit: dargestellt sind Mahatma Gandhi, Mutter Theresa, Martin Luther und der Papst. Die grüne Blümchenwiese, die zwitschernden Vögel und der strahlend blaue Himmel lassen den Ort, in dessen unmittelbarer Nähe damals Menschen abgeschlachtet wurden, heute idyllisch erscheinen. Mit schweren Gedanken verlassen wir El Mozote.
 
Wir wissen heute wieder nicht so richtig wo wir eigentlich hinwollen. In mehreren Städtchen halten wir an und überlegen ob wir bleiben oder weiter fahren sollen. So unentschlossen waren wir lange nicht. Schließlich entscheiden wir uns noch zur Laguna de Alegria weiterzufahren. Die Suche nach einer Unterkunft gestaltet sich dort als etwas schwierig. Das eine Hotel verlangt 16$ pro Person, was deutlich oberhalb unseres Budgets liegt, die andere Hospedaje hat zu und es laufen schon vier Backpacker umher die auch verzweifelt nach einer Unterkunft in dem kleinen Nest suchen. Beim umherfahren im Dorf schaue ich in einen Hinterhof und traue meinen Augen nicht: dort stehen die Bikes von Joey und Daniel. Erfreut über das spontane Wiedersehen tauschen wir uns zunächst etwas gegenseitig aus und die beiden geben uns noch den Hinweis auf eine Mission in der Nebenstraße, wo man auch einen Schlafplatz finden kann. Nachdem uns der Bruder ein Zimmer gezeigt hat und wir uns dort eingerichtet haben, statten wir den beiden auf dem Weg zum Abendbrot auf dem Dorfplatz noch einen Besuch ab. Innerhalb von einer Viertelstunde schaffen es die beiden uns dazu zu überreden, doch nach Kuba zu fliegen. Die beiden waren schon in so vielen Ländern auf allen Kontinenten unterwegs, dass wir ihnen einfach glauben müssen, dass Kuba einzigartig ist. Laut Daniel gibt es nichts Vergleichbares, es sähe dort aus wie im Film und sei mit einer Zeitreise vergleichbar. So setzen wir uns abends ins Kloster und buchen.
 
Die Laguna de Alegria im alten Vulkankrater stellt sich als mikrige Pfütze heraus die immerhin schön grün leuchtet und nach Schwefel riecht. Zum Abendbrot kochen wir gemeinsam mit Joey und Daniel das Gericht, welches sich in bisher allen bereisten Ländern einigermaßen authentisch herrichten ließ: Eier in Senfsoße.
 
Unsere letzte Station in El Salvador ist der Playa de Esteron. Am Strand finden wir einen Campingplatz, wo wir unter einem Strohdach 50 Meter vor dem Meer unser Zelt aufschlagen können. Auf ausgedehnten Strandspaziergängen finden wir Stranddollar (Überreste von Seeigeln mit symmetrisch angeordneter Zeichnung und Schlitzen), verschiedene Krabbenarten, und sogar zwei kleine Schildkröten. Als wir nach dem Abendbrot im Dunkeln zum Zelt zurückkehren, wartet dort eine dicke Überraschung auf uns: eine Monster-Erdkröte sitzt auf dem Zelteingang. Nachdem wir unser Heim zurückerobert haben, legen wir uns schlafen bis wir von Rascheln und Kratzen unterm Zelt geweckt werden. Am nächsten Morgen entdecken wir die Geräuschquelle: eine Krabbe stört sich an unserem Zeltboden, welcher ihren Höhleneingang überdeckt und versucht natürlich sich ihren Eingang wieder frei zu machen. Wenn wir das Zelt verschieben, stehen wir auf dem nächsten Krabbenloch, also hören wir uns die folgenden Nächte weiterhin den Krach der fleißigen Bauarbeiterin an. Es hört sich fast so an als würde sie mit ihren Scheren den Zeltboden bearbeiten.
 
Vom Campingplatz leihen wir uns zwei Kajaks um den Mangrovenwald El Esteron zu erkunden. Dazu müssen wir die Flussmündung überqueren. Da gerade Ebbe ist, ist das kein Problem. Auf dem Fluss treiben immer wieder alte Plastikflaschen, die wir einsammeln und hinten ins Kajak legen, damit wir sie später entsorgen können. Weiter tiefer in den Mangroven stoßen wir auf unzählige weiße Kraniche, die sich in den Bäumen tummeln. Wir würden gerne noch weiter den Fluss hinauf paddeln und uns noch ein wenig die skurrile Wurzellandschaft der Mangroven erkunden, doch müssen wir auch den ganzen Weg zurück paddeln. Auf dem Weg hinein in die Mangroven haben wir die Strömung, die uns unterstützt kaum wahrgenommen, anfangs hatten wir sogar leichte Gegenströmung. Kurz nach unserer Umkehr wurde uns klar, dass der Weg zurück kein Zuckerschlecken wird. Wir müssen mit all unserer Kraft gegen die nun verstärkt mit der Flut hereinkommende Strömung ankämpfen. Um Energie zu sparen, kreuzen wir immer auf die Flussinnenkurve und paddeln möglichst weit am Rand. Ab und an halten wir uns für eine Pause an einem Ast fest, um nicht gleich zurück zu treiben. Als wir endlich um die letzte Flussbiegung kommen, hören und sehen wir das Meer tosen, an der Stelle wo vorher die kleine Flussmündung war. Die Flut drückt nun ernstzunehmende Wellen hinein, die wir durchqueren müssen um zurück zum Strand zu gelangen. Die Wellen branden auf der anderen Seite an eine Felswand, was nicht sonderlich einladend aussieht. Die Alternative wäre, einige Stunden im Kajak auf Ebbe zu warten, da wir hier nirgends festen Boden betreten können. Wir müssen also durch dieses Wasser. Die Strömung ist stark und die Wellen sind zu groß für die kleinen Kajaks. Wir versuchen immer frontal durch die Welle zu stechen und uns bloß nicht seitlich überrollen zu lassen. Doch die Strömung drückt uns immer weiter in Richtung der kleinen Felswand, sodass sich fast Panik breit macht. Jeder ist auf sich gestellt und keiner kann dem anderen sinnvoll helfen. Immer einen Blick nach hinten wo Stephan nun bleibt, bin ich schon fast am rettenden Ufer angelangt, als mich doch noch eine Welle seitlich erfasst und mein Kajak unsanft umdreht. Boot und Paddel konnte ich in dem Gewühl gerade noch greifen, doch die Sonnenbrille ist weggespült. Die kleine Taschenkamera hatte ich zwar im Plastikbeutel verpackt, dennoch ist sie etwas feucht geworden. Später stellt sich heraus dass der Blitz nicht mehr funktioniert. Leider sind auch alle eingesammelten Plastikflaschen weggespült wurden. Das war mal wieder ein kleines Abenteuer, indem wir mit der Gewalt der Natur Bekanntschaft gemacht haben.
 


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El Salvador – San Salvador

07.-13.05.2015
 
Aus El Salvador kamen in letzter Zeit eher negative Berichte über den wieder ansteigenden Level der Gewalt. El Salvador und Honduras stehen ganz oben in der Liste der Länder mit den höchsten Mordraten. Verantwortlich dafür werden die beiden rivalisierenden Gangs Mara Salvatrucha 13 und Barrio 18 gemacht. Dementsprechend haben wir ein etwas mulmiges Gefühl, als wir uns am Morgen auf den Weg zur Grenze machen.
 
Auf unserer Fahrt von Antigua nach El Salvador wird es immer wärmer und die Landschaft immer grüner. Stephan übersieht einen Topes und überfährt diesen mit hoher Geschwindigkeit. Später entdecken wir die Beule in der Felge. Am Grenzübergang reihen sich kilometerlange Schlangen von LKWs. Bei der langsamen Zollabfertigung, wie wir sie später erleben, müssen diese wahrscheinlich mehrere Tage dort anstehen.
Die Ausreise von Personen und Bikes aus Guatemala geht recht schnell. Auch die Personeneinreise nach El Salvador ist mit einem Blick in den Pass erledigt. Auf Grund des C4-Abkommens der Länder Guatemala, El Salvador, Honduras und Nicaragua bekommen wir nicht einmal einen Stempel. Dafür erfordert das Einführen der Motorräder umso mehr Geduld. Was da so lange dauert ist uns unklar, denn außer uns warten nur wenige Truckfahrer, die von einem anderen Beamten bedient werden. Die Frau in dem unterkühlten Raum braucht Ewigkeiten um die Daten der Fahrzeugscheine in den PC aufzunehmen und die Papiere für die Bikes auszustellen. Für die vier Motorräder dauert der Prozess circa 3 Stunden. Als endlich alles erledigt ist, düsen wir schnell weiter bevor es dunkel wird, denn am Abend wollen wir gemeinsam mit Joey und Daniel deren Kontakt am Playa El Tunco treffen. Mit Einbruch der Dunkelheit und nach einer kurvenreichen Fahrt an der Küste erreichen wir endlich unser Ziel.
 
Gabriel, ein 21 jähriger El Salvadorianer und begeisterter Motorradfahrer, wartet schon auf uns. Nach dem Einchecken in ein kleines Hostel schlägt er vor, zu dem Haus seines Kumpels, welches an einem privatem Strand liegt, zu fahren. Dort gäbe es einen Pool und wir könnten uns es dort gemütlich machen. Wir sind nicht ganz so angetan von der Idee, da wir uns wieder in der Hitze in die Motorradklamotten quälen müssen und eine Heimfahrt im Dunkeln auf uns wartet. Aus den angesagten 5 Meilen Entfernung werden plötzlich mehr als 15, welche mit einer steilen Strecke über Kopfsteinpflaster enden. Der Pool ist leider doch nicht zu benutzen und so sitzen wir hinterm Haus und lauschen den Geschichten von Gabriel. Er hat eine Menge zu erzählen und wir wissen nicht so ganz wie viel jugendliche Übertreibung in seinen Geschichten steckt.
Wir treten die Rückfahrt in der Dunkelheit an. Eine Situation die wir in diesem Land in jedem Fall vermeiden wollten. Gabriel meinte jedoch die Straße sei durch Schutzgeld gesichert, welches die Politiker hier an die Banden zahlen, um den Tourismus zu erhalten.
 
Den nächsten Tag bleiben wir in dem kleinen Surfer Örtchen El Tunco. Es ist so heiß, dass wir uns kaum in der Lage fühlen aktiv etwas zu tun. Der Strand lädt nicht zum Baden gehen ein, den er ist flächendeckend übersät mit kindskopfgroßen Steinen, die vor einigen Tagen von der Flut angespült wurden. Daher ist hier kaum was los, normalerweise sollen sich die Besucher hier gegenseitig auf die Füße treten. So vergeht der Tag recht ereignislos. Wir schlendern vorbei an den Kleidershops, schreiben Blogeinträge und warten auf Gabriel, der am Abend wieder vorbeikommen wollte. Diesmal lassen wir uns nicht auf abenteuerliche Nachtfahrten ein, sondern gehen im Ort etwas essen.
Zum Schlafen ist es viel zu heiß, zumal wir in dem schmalen Bett kaum der Körperwärme des anderen entgehen können. Aufgrund der Hitze lassen wir uns vom Ventilator beföhnen, was wir am nächsten Tag prompt mit Halsschmerzen und in den Tagen später mit einer Erkältung bezahlen.
 
Gabriel lädt uns alle vier nach San Salvador in das Haus seiner Familie ein. Zuvor wollen wir allerdings noch unsere Hinterradreifen wechseln, da wir in Guatemala erfolglos waren. Wir hatten bereits vor einiger Zeit mit der Werkstatt Kontakt aufgenommen, die auch HEIDENAU Reifen vertreibt. Mit den voll beladenen Bikes fahren wir vor und tatsächlich, wie versprochen haben sie zwei der gewünschten Reifen vorrätig. Da die Mechaniker die Reifen nicht von der Felge bekommen, fahren sie mit unseren beiden Hinterrädern auf ihren Motorroller geschnallt zu einer befreundeten Werkstatt. Die Idee gefällt uns zunächst nicht so ganz, denn was ist, wenn die Räder abhandenkommen? Am Ende geht alles gut und mein Hinterrad ist nun auch wieder mit einem extra dicken Schlauch ausgestattet. Für das Zentrieren von Stepahns Vorderradfelge machen wir einen Termin für Montag, da dies heute leider nicht mehr möglich ist. Froh über den geglückten Reifenwechsel kann die Fahrt nun weiter gehen.
 
Gabriel führt uns zu einem Vulkan nahe der Stadt an dessen Kraterrand wir beinahe mit den Motorrädern ran fahren können. Der Vulkan ist nicht mehr aktiv, dennoch ist der Blick in den riesigen Schlund beeindruckend. Als ein Gewitter herannaht, werden wir etwas nervös, da wir den steilen und kaputten Kopfsteinpflasterweg hinuntermüssen, der im Regen glatt wird wie Schmierseife. Die Sorge war nicht unbegründet, denn prompt rutscht Stephan mit seinem Hinterrad weg und stürzt. Zum Glück ist nichts weiter passiert und die Fahrt geht weiter. Der Regen wird immer stärker, sodass wir bald komplett durchnässt sind und sich die Fahrt zu Gabriels Haus wie eine Ewigkeit anfühlt. Schon wieder fahren wir im Dunkeln, diesmal auch noch durch die von Gewalt gebeutelte Hauptstadt San Salvador. Wir trösten uns damit, dass bei dem Wolkenguss nicht einmal die Bandenmitglieder auf die Straße gehen.
 
Das Haus von Gabriels Familie ist etwas ungewöhnlich. Von der Straße gelangt man durch ein Schiebetor in eine große Halle. Unten befinden sich mehrere kleine Räume und ein großer Kühlraum für Käse. Das riecht man auch. Über zwei Treppen kann man am Rand der Halle hinaufsteigen und gelangt so zu Küche, Wohn- und Schlafzimmern. Alle paar Minuten springt ein Kühlaggregat an und sorgt für einen solchen Krach, dass man kaum sein eigenes Wort versteht.
Fünf völlig durchnässte Biker haben in der Halle zumindest die Gelegenheit die nassen Sachen abzulegen und abzutropfen. Gabriel besorgt für uns alle Abendbrot: Pupusas, das Nationalgericht El Salvadors. Es sind Fladen aus Mais- oder Mehlteig, die mit verschiedenen Zutaten wie Käse, Fleisch oder Gemüse gebacken beziehungsweise frittiert werden. Das war ein sehr leckeres Abendessen für umgerechnet 1,50€ pro Person.
Unser Schlafraum findet sich unten in der Halle gleich neben der Eingangstür für den Käseraum. Die Nächte dort kann ich kaum schlafen, denn mich quälen die Hitze, die Moskitos und die unbequeme Liegeposition auf dem Bett, da es so klein und unförmig ist, dass wir immer in der Mitte zusammen rutschen. Nicht zu vergessen der Gedanke an die Kakerlaken, die hier ab und an die Wände hochkrabbeln und das Kühlaggregat, welches alle 20 Minuten anspringt. Nach zwei dieser schlaflosen Nächte entschließe ich mich dazu, unser Zelt in einem der größeren ungenutzten Räume aufzustellen und komme so endlich wieder zu Schlaf.
 
Moskitos in Kombination mit Hitze können einen in den Wahnsinn treiben. In langen Sachen ist es wegen der Hitze kaum auszuhalten, in kurzen Sachen wird man ständig gepiesackt. Dabei reden wir nicht von zwei drei Mückenstichen. Wurde man innerhalb kurzer Zeit von mehreren dieser Mini-Biester gestochen, juckt es plötzlich am ganzen Körper und man möchte am liebsten in einen kalten Pool springen. An still sitzen und arbeiten am Computer ist jedenfalls nicht mehr zu denken und wir wissen eigentlich gar nicht so richtig wo hin mit uns. Abhilfe schaffen nur die Ventilatoren, die einen kühlen Wind erzeugen und gleichzeitig die Moskitos vertreiben. Lange können wir in dem Wind aber auch nicht sitzen, da wir uns dann wieder erkälten.
 
Wir wollen uns die Hauptstadt anschauen. Gabriels Familie rät uns davon ab zu Fuß zu gehen, denn es sei zu gefährlich. Also fährt uns unser Gastgeber bis ins Zentrum. Er ermahnt uns die Fensterscheiben oben lassen. Viele der Autos in Zentralamerika haben getönte Fensterscheiben. Selbst die Windschutzscheibe und die vorderen Seitenfenster sind stark getönt, was bei uns undenkbar wäre. Neben dem Sonnenschutz ist der Vorteil, dass niemand von außen sehen kann, wer oder wie viele Leute im Auto sitzen, was hier einen Sicherheitsaspekt darstellt.
Wir laufen eine Weile im Zentrum herum, fühlen uns alle aber nicht sonderlich wohl. Des Öfteren sehen wir mit Maschinengewehren bewaffnetes Personal von Polizei oder privaten Sicherheitsdiensten. Stacheldrahtzaun und Gitter vor den Fenstern scheinen in dieser Stadt allgegenwärtig. Überdurchschnittlich viele Betrunkene liegen auf der Straße. Die großen Kameras hatten wir gar nicht erst mitgenommen, und so machen wir ein paar Schnappschüsse mit unserer kleinen „Opfer-Kamera“. Auf dem Rückweg geht ein aufdringlicher Mann auf mich und Joey zu und besteht darauf uns die Hand zu schütteln, um uns zum internationalen Frauentag zu gratulieren. Es ist vielleicht dem Wissen um die vielen Gewalttaten die hier passieren geschuldet, dass wir bei solchen Geschehnissen sehr misstrauisch sind. Dennoch vertrauen wir lieber unserem Gefühl und gehen zurück zum Auto.
 
Wir fahren an Wohnvierteln oder besser gesagt Ghettos vorbei, in denen laut Gabriel viele Bandenmitglieder wohnen. Die mehrgeschossigen Wohnhäuser stehen so eng beieinander, dass sich die Leute der gegenüberliegenden Balkone die Hand schütteln könnten. Wir sehen zumindest keine Tätowierten und somit bleibt es bei dem was sich unsere Fantasie ausmalt. 500 Meter nachdem wir diese Häuser passiert haben, qualmt es aus der Motorhaube von Gabriels Auto. Der Motor geht aus und wir bleiben auf der Kreuzung liegen. Mehrere Startversuche schlagen fehl. Kein guter Ort, kein guter Zeitpunkt. Das wäre schon ein Grund nervös zu werden, denn zu Fuß zu gehen oder gar per Bus weiter zu fahren ist in dieser Gegend keine gute Idee. Nach einiger Zeit springt der Wagen zum Glück wieder an und wir schaffen es bis zum Plaza El Mundo Salvador zu tuckeln. Dort geht der Motor ein zweites Mal aus und wir schieben das Auto auf einen bewachten Parkplatz. Wir fahren mit dem Bus nach Hause und verzichten für diesen Tag auf weitere Ausflüge in die Stadt.
 
Schlechte Neuigkeiten
 
Wir haben die Nachricht bekommen, dass die Fähre, mit welcher wir das Darien Gap überwinden wollten, ihren Dienst eingestellt hat. Das sind schlechte Neuigkeiten, denn nun stehen wir wieder vor der Frage: wie kommen wir von Panama nach Kolumbien? Die beiden Länder sind zwar durch Land verbunden, doch es fehlen circa 80km Straße durch den dichten Urwald. Zusätzlich gibt es in dem Gebiet Probleme mit Guerillas (FARC). Es gibt keinen regelmäßigen Schiffsverkehr, so bleiben uns nur die Optionen Luftfracht, Containerverschiffung oder eines dieser Segelboote zu suchen, um unsere Bikes nach Südamerika zu bekommen. Dies macht die Sache deutlich unentspannter, da alle Optionen teuer sind und / oder lange Vorausplanung benötigen. Die Fährtickets hätten wir einfach vor Ort gekauft und am nächsten Tag wäre es losgegangen. Nun müssten wir uns in Panama ein Segel-Boot suchen welches auch Motorräder mitnehmen kann und will. Das ist aus der Ferne nicht so einfach, aber vor Ort wollen wir auch nicht erst anfangen zu suchen, denn dies kann Wartezeiten von mehreren Wochen bedeuten. Wir durchforsten also das Internet und fragen verschiedene Boote an. Zwei davon sind in der Zwischenzeit gesunken (sehr ermutigend) und von einem anderen Kapitän haben wir erfahren dass kaum noch jemand Motorräder mitnimmt, da sich die Zollabfertigung in Kolumbien verschärft hat. So bleibt unser letzter Hoffnungsschimmer die Stahlratte. Die Überfahrt mit diesem hundert Jahre altem Segelschiff ist auf Grund der Größe des Schiffes, der langjährigen Erfahrung mit der Mitnahme von Bikes und der inklusive Karibikkreuzfahrt die sinnvollste Option für uns. Preislich liegt der Trip dreifach über dem der Fähre, aber immer noch unterhalb der uns noch verbleibenden Optionen. Kurzerhand buchen wir unsere Mitfahrt auf der Stahlratte, denn die Nachricht mit dem Wegfallen der Fähre spricht sich unter den Motorradreisenden schnell herum und wir wollen nicht riskieren, dass wir keinen Platz mehr bekommen. Nachteil: wir sind nun terminlich gebunden und der erste Termin in der nahen Zukunft ist der 17. Juli… wir müssen also die Zeit in Zentralamerika absitzen und so wird unsere ursprüngliche Reisezeitplanung vollends über den Haufen geworfen. Das Gute dabei ist, dass wir unsere Freunde Joey und Daniel bei der Überfahrt wieder sehen werden, da sie ebenfalls gebucht haben.
Nun trennen sich aber zunächst unsere Wege und die beiden fahren weiter, während wir noch zwei Tage länger bei Gabriel in San Salvador bleiben um ein paar Dinge zu erledigen. Nach fast 2 Monaten gemeinsamen Reisen fällt der Abschied schon etwas schwer.
 
Wir wollen Stephans Vorderradfelge zentrieren lassen um sein kleines Andenken an die guatemaltekischen Topes (geschwindigkeitsreduzierende Buckel auf der Straße) loszuwerden. Zum Bringen und Abholen müssen wir jeweils quer durch ganz San Salvador fahren, wovon wir nicht sonderlich begeistert sind. Bevor wir aber von neuem jemanden suchen müssen, der Speichen zentrieren kann und da wir noch den Weg durch Südamerika vor uns haben, lassen wir es lieber gleich machen und quälen uns mit den Bikes durch den Verkehr.
 
Am nächsten Tag machen wir einen Tagesausflug zum Nationalpark Cerro Verde wo sich der Vulkan Santa Ana befindet und wollen dort eine Wandertour zum Kraterrand machen. Leider verpassen wir um 15 Minuten die geführte Tour, welche um 11 Uhr startet, da wir morgens noch eine Apotheke gesucht haben um einen Hustensaft für Stephan zu finden. Der einzige Wachpolizist vor Ort bietet uns an, uns zwar nicht zum Krater zu führen, aber bis zu Aussichtspunkten auf den Vulkan und den Lago de Coatepeque. Er führt uns durch den Wald und erklärt uns überraschend viel über die dortige Flora und Fauna. Der kleine Ausflug endet an einem verlassenen Hotel. 187 Jahre lang hat der gegenüberliegende Vulkan Izalco kontinuierlich und fast täglich bilderbuchartige Eruptionen von sich gegeben, welche man vom Ort des entstehenden Hotels aus beobachten konnte. Im Jahre 1958, zwei Wochen vor Fertigstellung des großen Komplexes stellte der Vulkan seine Aktivitäten ein und das Hotel wurde nie fertiggestellt, denn die Hauptattraktion ist bis auf ungewisse Zeit verschwunden. Das Hotel steht bis heute gespenstig leer.
 
Unseren letzten Tag in San Salvador verbringen wir mit Internet Recherche. Da wir auf Grund des Termines mit der Stahlratte nun viel Zeit haben, um Panama City zu erreichen, spielen wir mit dem Gedanken die Zeit für einen Abstecher nach Kuba zu nutzen. Für uns wäre es bestimmt ein interessantes Erlebnis, da auf Kuba der Sozialismus noch lebt und es sicherlich einige Parallelen gibt, zu dem Land, in dem wir geboren worden (DDR). Jetzt, wo sich die Beziehungen zwischen den USA und Kuba entspannen, bricht eine neue Ära an, die das Land schnell verändern könnte. Es wäre vielleicht die letzte Gelegenheit, das Land in seinem jetzigen Zustand kennen zu lernen, bevor der erste McDonalds dort einzieht. Noch hadern wir allerdings mit uns, da die Reisekasse dadurch nicht unerheblich belastet würde.
 
Wir verbringen unseren letzten Abend mit Gabriel, den wir in den letzten Tagen ja ein wenig kennengelernt haben. Für sein Alter hat er schon viele schlechte Dinge erlebt, wie zum Beispiel zwei Morde durch Schusswaffen direkt vor seinen Augen. Er träumt von seiner eigenen Weltreise mit dem Motorrad und hat schon viele Ideen zur Umsetzung seines großen Projektes. Entsprechend löcherte er uns mit vielen Fragen, auf die wir zum Teil selbst keine Antwort wissen. Er ist ein unverbesserlicher Optimist und wir sind gespannt welche seiner interessanten Ideen er wirklich mal umsetzen wird.
Im Allgemeinen haben wir uns in der Hauptstadt San Salvador, außerhalb des Hauses von Gabriel, nicht sonderlich wohl gefühlt. Die verschärften Sicherheitsmaßnahmen der Einheimischen wie bewaffnetes Wachpersonal vor Supermärkten, zum Teil doppelte Stacheldrahtrollen über jeder privaten Mauer und auf den meisten Gebäuden, Gitter vor jedem Fenster und menschenleere Straßen nach Einbruch der Dunkelheit, lassen auf ernstzunehmende Gefahren schließen. Als wir mit Gabriel abends zum Essen draußen saßen, führte der Knall der Fehlzündung eines Autos dazu, dass sich die Wirtin aus Angst vor einer möglichen Schießerei schon halb auf den Boden warf. Gabriels Familie empfiehlt uns in ihrem Viertel nicht allein durch die Straßen zu gehen, selbst tagsüber. Also unternehmen wir keine, wie wir es sonst tun würden, Spaziergänge durch die Nachbarschaft und lernen die Stadt nur durch den Blick aus dem Auto oder vom Motorrad aus kennen. Bei den Reifenbuden um die Ecke empfangen wir subjektiv empfunden, argwöhnische oder unfreundliche Blicke. Viele Teile der Stadt wirken im Allgemeinen trostlos und abgeranzt. Im Gegensatz dazu steht auf der anderen Seite der Stadt eine supermoderne Einkaufsmall, zu der wir fahren müssen, damit wir Geld mit der Kreditkarte abheben können.
 
Warum ist die Situation hier so angespannt? Die konkurrierenden Banden Barrio 18 und Mara Salvatrucha 13 lassen ein normales Leben in dieser Stadt nicht zu. Die Gewaltbereitschaft dieser Jugendbanden ist extrem hoch. Untereinander ermorden sie sich skrupellos.
Die Bandenkultur hat sich zunächst außerhalb El Salvadors in den USA entwickelt, hauptsächlich in L.A. Bürgerkriegsflüchtlinge aus vielen Lateinamerikanischen Staaten sind in die USA emigriert. Banden wurden zunächst gegründet um sich vor anderen Banden zu schützen. Gründe für den exzessiven Ausbruch der Gewalt waren Armut, Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit.
Mitte der 90er Jahre wurde in den USA die „Null Toleranz Strategie“ durchgesetzt. Flüchtlingskinder konnten nach Begehen einfacher Straftaten wie Diebstahl sofort in ihr Heimatland abgeschoben werden. Plötzlich gab es tausende junge EL Salvadorianer, die zurück ins Land strömten und dort keine Familie mehr hatten. Die Gangs formierten sich nun in El Salvador und bieten ihren Mitgliedern Schutz und weitere Annehmlichkeiten. Doch zwei Gangs konkurrieren besonders untereinander und die Hemmschwelle sich gegenseitig umzubringen ist gering. In El Salvador leben circa 40.000 Gangmitglieder, die meisten von ihnen haben als Markenzeichen Tatoos, oftmals am ganzen Körper oder sogar im Gesicht. Wir sind glücklicherweise keinem von denen begegnet. Laut Gabriel hätten wir als Ausländer nicht viel zu befürchten, solange wir die eventuell geforderte „Spende“ bezahlen. Wie hoch diese sein muss und was die Konsequenzen sind, wenn man nicht „spendet“, ist eine andere Frage. Der Großteil der Mitglieder sind Kinder ab circa 7 Jahren und junge Erwachsene im Alter von bis zu 25 Jahren. Die Ältesten sind meistens die Anführer, doch der Nachwuchs geht über Leichen um selbst Anführer zu werden und schaltet Konkurrenz und Bosse hinterrücks aus. Da man aus einer Bande nicht aussteigen kann, ohne ebenfalls sehr wahrscheinlich von den eigenen Leuten umgebracht zu werden, ist die Lebenserwartung eines B18 oder Mara Salvatruchas nicht sonderlich hoch.
 
Gabriel erzählt uns einiges über die Aufnahmeprüfungen, die so gruselig sind, dass wir es kaum glauben können. Zum Beispiel muss sich ein B18 Anwärter, einer 18 Sekunden langen Prügelattacke in der Mitte eines Kreises von anderen Gangmitgliedern unterziehen. Hat er das geschafft, bekommt er einen Mordauftrag. Gelegentlich sind die Opfer Familienmitglieder des Anwärters. Ist der Auftrag erledigt und von einem anderen Mitglied bezeugt, ist man Clubmitglied. Die Banden finden weiterhin großen Zulauf, da sie den Kindern und Jugendlichen mehr bieten können, als die eigene verarmte Familie. Die Banden kontrollieren viele private Geschäfte und Unternehmen, indem sie Schutzgelder einfordern und sich damit finanzieren. Weitere Einnahmequellen sind Waffenhandel, Menschenhandel, Prostitution usw. Die MS 13 hat sich auch in anderen Zentralamerikanischen Ländern und den USA formiert und hat ein großes länderübergreifendes Netzwerk.
Derzeit finden in El Salvador, ein Land mit der doppelten Einwohnerzahl von Berlin (7 Millionen), im Durchschnitt 16 Morde pro Tag statt. Auch wenn wir als Nicht-Gangmitglieder nicht zu den potenziellen Mordopfern gehören, sind diese Zahlen und Geschichten Anlass genug für uns, ständig unsere Umgebung zu scannen und den Empfehlungen der Einheimischen zu folgen.
 


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Spanischunterricht und bedrohliche Begegnung

10. – 24.04. 2015
 
Auf dem Weg nach Quetzaltenango, auch Xela genannt, haben wir es wieder mit guatemaltekischen „Strassen“ zu tun. Unsere gewählte Route entpuppt sich als erdige Nebenstraße, welche hier arg unter Witterung leiden. Mein Vorderrad springt in den tiefen Spurrillen nur so hin und her. Besonders die Kombination aus Spurrillen, losem Untergrund, Steigung, Kurve und möglichem (rücksichtslosem) Gegenverkehr in Einem machen uns beim Fahren zu schaffen. Das Vorderrad unserer bepackten Teneres ist einfach viel zu leicht, worunter die Manövrierfähigkeit der Bikes erheblich leidet. Zugegeben bin ich froh, als wir nach einigen Kilometern wieder auf asphaltierte Strasse stossen, denn 40km auf solch einer Strecke hätten uns mehrere Stunden und viel Kraft gekostet, besonders in der Hitze.
 
Um unsere Spanischkenntnisse zu verbessern wollen wir in Xela einen Sprachkurs belegen. Diese Kurse werden in Guatemala günstig und vielfach in Verbindung mit einem Aufenthalt bei einer Gastfamilie angeboten, um das Lernen der Sprache zu intensivieren. Wir und die anderen beiden finden in Quetzaltenango jeweils eine Familie, bei der wir auch die Motorräder notdürftig parken können.
Stephan und ich kommen bei den beiden Brüdern Sergio und Diego, beide Anfang zwanzig, unter. Die Mutter ist gerade in den USA um die Schwester zu besuchen. Wir haben unser eigenes Zimmer und werden des Öfteren von den Katzen und Hunden besucht. Da die Schule erst am Montag losgeht, unternehmen wir mit Sergio und seiner Freundin einen Ausflug zu einem Vulkanberg, der sich „La Muela“ nennt. Nach einer Stunde Aufstieg erreichen wir die Spitze und haben einen grandiosen Aufblick auf die Stadt und die umliegenden Berge.
 
In den heißen Quellen der „Fuentas Georginas“ wollen wir am Sonntag entspannen. Die Fahrt in die Berge auf der Ladefläche eines Pickups führt uns vorbei an den Gemüsefeldern in Hanglage, wo gerade Möhren, Zwiebeln, Kartoffeln und anderes Gemüse geerntet werden. Der frische Duft trägt zu diesem Fahrerlebnis bei, bevor wir uns dann immer höher auf den Berg schrauben und in die Nebelfelder eintauchen. Oben wird es richtig kühl, sodass uns schon der Kopf weh tut, der die ganze Zeit dem Fahrtwind ausgesetzt ist. Das warme Bad können wir kaum erwarten. Die Idee zu diesem Ausflug hatten jedoch auch viele Einheimische, die hier zum Picknick mit ihrer Großfamilie herkommen. Die Pools waren daher so voll, wie unsere Freibäder an einem sonnigen Wochenende zu Beginn der Sommerferien und die Becken hatten nichts mehr Natürliches an sich. Etwas enttäuscht stehen wir ratlos herum. Schließlich erfahren wir von einem Pool etwas weiter unten im Wald und machen uns auf den Weg. Nach einer kurzen Wanderung finden wir das, wonach wir gesucht hatten. Mitten im Wald stoßen wir auf ein kleines Paradies: ein zwar auch künstlicher aber natürlich erscheinender Pool, gespeist von einem kleinen Wasserfall. Das warme Wasser ist wie eine Kur für den ganzen Körper. Das Wasser ist mit zum Teil mehr als 40 Grad Celsius allerdings so warm, das wir zwischendurch wieder raus müssen um Kreislaufprobleme zu vermeiden. Zurück bei unseren Familien verfallen wir in einen entspannten tiefen Schlaf.
 
Am Montag beginnt unser Unterricht. Wir haben jeweils fünf Stunden Einzelunterricht pro Tag mit einem eigenen Lehrer. Das ist hier so üblich um den unterschiedlichen Niveaus gerecht zu werden. Fünf Stunden Grammatik am Stück machen sich bemerkbar, am Ende sinkt die Aufmerksamkeitsspanne rapide. Nach einer Woche haben wir erstmal genug um unsere neuen Kenntnisse verarbeiten zu können. Wir bleiben aber noch eine Woche bei unseren Familien um diverse Dinge wie Reparaturarbeiten, Blog schreiben und Organisatorisches zu erledigen.
 
Um Aufnahmen für Daniels Kurzfilm zu machen, fahren wir zu viert in die Berge nach Totonicapan. Wir brauchen Actionaufnahmen von Kurvenfahrten mit dem Motorrad in schöner Landschaft. Daniel fährt, Joey, Stephan und ich positionieren uns mit unseren Kameras an verschiedenen Stellen an einer kurvenreichen Strasse. Nach einiger Zeit hält jemand mit seinem Kombi und fragt mich ob wir ein „Permiso“, also eine Erlaubnis zum Filmen haben. Da wir hier auf einer öffentlichen Strasse sind, denken wir nicht dass wir eine brauchen. Später, als Daniel gerade bei mir Stopp macht, hält wieder jemand an und fragt energischer was wir hier machen und ob wir eine Erlaubnis hätten. Ich denke zunächst, dass wir keine Menschen filmen sollen, denn wie wir wissen, sind die indigenen Völker sehr empfindlich was das angeht. Als ich dem unfreundlichem Typen auf dem Kameradisplay zeige, dass wir nur das Motorrad und die Landschaft filmen, ist er immer noch unzufrieden und beharrt auf der Erlaubnis. Der nächste Gedanke, der sich mir aufdrängt ist, dass hier sich hier vielleicht irgendwo ein Drogenkartell versteckt und wir daher die Landschaft auch nicht filmen dürfen. Der Mann sagt dann später er wolle jemanden anrufen und fährt weiter. Wir setzen erstmal die Aufnahmen fort. Dann kommt Daniel mit dem Bike zurück gefahren und ruft wir sollen alles zusammen packen und so schnell wie möglich wegfahren. Er sah wieder diesen Typen, der nun wirklich am Telefon hing und Joey berichtete von Aussagen eines anderen Mannes, dass hier Leute, welche für die Minen arbeiten umgebracht werden. Wir machen uns schleunigst aus dem Staub. Am nächsten Tag finden wir heraus was das Problem war.
 
Ich spreche mit meiner Spanischlehrerin über den Vorfall, in Spanisch versteht sich. Guatemala ist reich an Bodenschätzen, so auch Gold, Silber und anderen Erzen. Ausländische Firmen reicher Nationen, in diesem Fall Kanada und die USA, errichten hier Minen um diese Schätze zu fördern. Während in einheimischen Gebieten diverse Umweltbestimmungen eingehalten werden müssen, hat man in Guatemala bisher bei vielen Minen diesen lästigen Aufwand versucht zu vermeiden. Resultat ist, dass Wasser und Erde stark verschmutzt wurden und das in Gebieten, in denen Einheimische auf Wasser, Ackerbau und Viehzucht angewiesen sind. Frauen wurden unfruchtbar, Kinder blind geboren, Kinder bekamen Hautausschlag und andere Krankheiten, Nutztiere wurden unbrauchbar und die Trinkwasserversorgung war nicht mehr gewährleistet. Der eigene Staat ist keine Hilfe, also betreiben die Menschen Selbstjustiz. In Guatemala herrscht fast Straflosigkeit. Verbrechen werden nicht aufgeklärt. Mörder, Vergewaltiger und andere Verbrecher werden nicht bestraft. So ist es kein Wunder, dass die Bürger selbst handeln.
Wir sahen natürlich aus wie die Stereotypen von ausländischen Minen-Explorateuren und gerieten so unter Verdacht. Alle Erklärungsversuche nutzen nichts, das Misstrauen ist zu gross, die möglichen Konsequenzen für die Einwohner sind zu beängstigend. Wer kann es Ihnen also verübeln, dass sie uns drohen?
Die Gesellschaft Guatemalas ist bezüglich dieses Themas gespalten. Die Landbewohner fürchten die Krankheiten, die Stadtbewohner lockt das mögliche Arbeitsangebot. Politiker schnuppern Geld und tanzen wie Marionetten nach der Nase der Konzerne, auch wenn diese nur einen Bruchteil an Steuern und Abgaben an Guatemala zahlen, und lassen so ihr eigenes Land ausbluten. Zuerst werden Länder wie Guatemala durch angestachelte Bürgerkriege in den wirtschaftlichen Ruin getrieben, um sie dann auf Grund ihrer aussichtslosen Schuldenlage in Abhängigkeit ihrer Gläubiger zu treiben. Man könnte es auch einfach Ausbeutung oder Versklavung nennen. Auch wir werden uns wieder bewusst, wie einige Nationen, so auch unser Heimatland, ihren materiellen Reichtum erlangen. Die Autos und natürlich auch die Motorraeder, mit denen wir herumfahren, könnten nicht ohne diese Materialen zu diesem für uns erschwinglichen Preis gebaut werden, wenn man sich nicht einfach die Bodenschätze anderer Länder für wenig Geld nehmen würde.
Trotz aller gut gemeinten Richtlinien und Firmen Policies finden sich Schlupflöcher und was der Unter-Unter-Unter-… Lieferant vom Endhersteller macht, kann ohnehin keiner mehr ernsthaft kontrollieren. Die Welt ist ungerecht, das wussten wir vorher schon. Uns wurde es nur nochmal direkt vor Augen geführt. Auch diese Reise finanzieren wir letztendlich durch so gewonnen Reichtum. Wir trösten uns, dass wir durch das Reisen wenigstens etwas von dem mitbekommen, was jeder von uns, mit seinem Hunger nach Autos, Elektronik-Spielzeug und sonstigem Luxus, anrichtet, wenn auch indirekt und oftmals unwissentlich. Wir hoffen, dass wir dies auch nach unserer Reise nicht vergessen werden.
 
Den Trailer, den Daniel erstellt hat und der einige Aufnahmen von diesem Tag enthält, könnt ihr hier sehen: https://youtu.be/Ol2PaTpbv34
 
In Xela treffen wir auf Greg aus den USA, der mit seiner 450er KTM in Zentralamerika unterwegs ist. Wir beneiden ihn zwar etwas um die Leichtigkeit seines Enduro Bikes, aber nicht um die Ölwechsel die er alle 1000 Kilometer macht. Am letzten Wochenende wollen wir gemeinsam mit Joey, Daniel und Greg einen Ausflug zur Laguna de Chicabal machen. In den letzten Kilometern scheitert das Vorhaben. Zunächst fahren wir die schlammige Straße bergauf, bis uns bewusst wird, dass die Piste so rutschig ist, dass wir Probleme haben werden, wieder hinunter zu kommen. Daniel ist so freundlich und dreht unsere Maschinen an dem Schlammhang um. Es ist so rutschig und steil, das wir bei Fahrt im ersten Gang unter Mithilfe der Motorbremse noch zu schnell wären. Um die Kupplung zu schonen schalten wir in den Leerlauf und versuchen mit sanftem aber konstantem Bremsen den Hang hinunter zu kommen. Diese Aktion sorgt für viel Anspannung, denn die Bikes kommen ständig ins Rutschen. Mehrmals habe ich das Gefühl mich gleich hinzulegen, als ich einige Meter weit mit versetzen Rädern über den matschigen Boden gleite. Die Erleichterung ist groß, als wir endlich wieder auf festeren Boden stoßen. Zum Glück sind wir nicht bis ganz nach oben gefahren.
Der Besuch eines Schokoladenlädchens mit Schokoladenfondue aus Maya-Schokolade und mit Früchten gibt unserem Aufenthalt in Xela einen schönen Abschluss.
 


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„More Than Compassion“

07. / 08. April 2015
 
In Huehuetenango, einer Stadt in den Bergen im Norden Guatemalas, besuchten wir den Einheimischen Carlos, den wir über die Online-Platform Couchsurfing kennengelernt hatten. Er erzählt uns nach einiger Zeit, dass er gelegentlich bei einem Waisenhaus aushilft. Auf unsere Nachfrage hin willigte er ein, mit uns gemeinsam dem Haus einen Besuch abzustatten. So fuhren wir mit unseren Motorrädern zum Waisenhaus „Fundación Salvación“ und lernten für kurze Zeit das Innenleben dieser Einrichtung kennen. Rings um einen großen Innenhof mit Spiel- und Sportplatz sind die Gebäude zur Beherbergung der derzeit 107 Kinder im Alter von wenigen Monaten bis zu 18 Jahren angeordnet. Dazu zählen die verschiedenen Schlafsäle für Jungen und Mädchen, eine Küche mit Essraum, ein Büro und Aufenthaltsräume. Nach außen hin ist durch Mauern und ein großes Tor alles abgeschottet. Trotz den Bemalungen an den Wänden wirkt der Ort trist und ein wenig wie ein Gefängnis, wenn man bedenkt, dass sich die Kinder hier den größten Teil ihres Lebens aufhalten und nur für den Schulbesuch und nur für wenige andere Gelegenheiten Ausgang haben.
 
Carlos erzählt uns, dass es sehr schwierig ist, den Kindern Verhaltensregeln und respektvollen Umgang miteinander, sowie gegenüber Erwachsenen beizubringen. Die einzigen Autoritätspersonen die sie haben, sind die Lehrer und Aufsichtspersonen. Ziemlich schnell merken die Kinder, dass sie von diesen Personen keine schlimmen Strafen zu befürchten haben und tanzen daher den Lehrern auf der Nase herum. Ohne eine emotionale Bindung, wie sie Kinder normalerweise zu Eltern haben und daher aus Angst vor „Liebesentzug“ gehorsam sind, ist es schwierig, Kinder zu erziehen.
 
Die Kinder sind zunächst schüchtern als sie uns mit den Bikes erblicken und betrachten uns aus sicherer Entfernung. Nach einiger Zeit bricht jedoch das Eis und die Kinder klettern die Bikes rauf und runter. Kein Knopf oder Schalter ist mehr sicher und sämtliche Funktionen müssen überprüft werden. Sie grinsen uns mit ihren verschmitzten Gesichtern an und machen allerlei Faxen.
 
Wir entschließen uns dazu das Projekt in die Datenbank der Stiftung für Helfer aufnehmen zu lassen und einen Teil unser bisher gesammelten Spendengelder hier abzuzweigen. Es mangelt sowohl an einfachen Dingen wie Zutaten für eine ausgewogene Ernährung, aber auch an Möglichkeiten um den Kindern Abwechslung oder Aktivitäten anbieten zu können. Für das Problem mit der ausgewogenen Ernährung muss eine dauerhafte Lösung gefunden werden, unser Beitrag wäre hier nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Daher entscheiden wir uns für eine nachhaltige Sachspende, um den Kindern Aktivitäten außerhalb ihres tristen Alltags zu ermöglichen: Es gibt einige kaputte Fahrräder die nicht mehr genutzt werden können, weil die erforderlichen Ersatzteile fehlen. Im lokalen Fahrradgeschäft kaufen wir mit Carlos verschiedene Teile, um sie wieder fahrtüchtig zu machen: Pedale, Bremsklötze, Schläuche, Mäntel, Ketten, Felge, Flickzeug usw. Einem Fahrradausflug zum Schwimmbad steht somit nichts mehr im Weg.
 
An einem andern Tag besuchen wir die Grundschule „Colegio Bilingüe Esperanza“, in der die Waisenkinder bilingual unterrichtet werden. Die Schule steht ebenso wie das Waisenhaus unter dem Dach der Non-Profitorganisation „More than Compassion“, was so viel bedeutet wie „mehr als nur Mitleid“. Die Gründer der Organisation sind davon überzeugt, dass einer zerstörten Welt nur geholfen werden kann, wenn dem Mitleid auch Taten folgen.
 
In der Englischstunde in der 2. Klasse halten wir eine kleine Präsentation über unsere bisherige Reise ab. Am Globus zeigen wir die bereisten Länder und unser Heimatland und einige der Kinder können uns auf der Weltkugel sogar zeigen, wo ihr Heimatland Guatemala liegt. Den Kindern fällt es sichtlich schwer still zu sitzen. Die US-amerikanische Lehrerin muss immer wieder zu Ruhe und Ordnung ermahnen und leider zwischendurch auch ein Kind aus dem Klassenzimmer schicken. Der Alltag für die Lehrer hier ist extrem anstrengend und nervenaufreibend. Sie sind hier aus Überzeugung, doch hätten auch sie sich die Arbeit im Vorhinein nicht so hart vorgestellt, wie sie tatsächlich ist.
 
Nach dem Schulbesuch gehen wir zurück zum Waisenhaus und erleben das Geschehen im Speisesaal zum Mittagessen mit: Es gibt Reis mit ein paar wenigen, undefinierbaren Stückchen Fleisch, etwas Sauce und dazu trockenen grünen Salat mit zwei Gurkenscheibchen. Laut Carlos wird die Kost nicht sonderlich abwechslungsreicher. Die Kinder erkennen uns wieder und machen mal wieder Späße und Unsinn während des Essens.
 
Dann ist es Zeit sich zu verabschieden und wir verlassen einen dieser Orte, die es eigentlich auf unserer Welt nicht geben sollte. Über die Schicksale der einzelnen Kinder haben wir nicht viel erfahren können, doch es ist klar, dass jedes von ihnen aus einem traurigen Anlass heraus hier ist. Wir stimmen wir dem Grundsatz von „More than Compassion“ zu: nur Mitleid zu haben hilft nicht, wir müssen auch aktiv etwas dafür tun, um die Situation zu verbessern.
 
Mehr Informationen und Links zur Webseite der Organisation „More Than Compassion“:
http://morethancompassion.org/fundacion-salvacion
http://www.fundacionsalvacion.org
https://www.facebook.com/fundacionsalvacion
https://www.stiftung-fuer-helfer.de/projekt/compassion-fundacion-salvacion/
 
Wer uns ermöglichen möchte, weitere solcher Projekte während unserer Reise zu unterstützen, findet das Spendenkonto und weitere Informationen unter diesem Link:
http://www.krad-wanderer.de/hilfsprojekte/
 


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