Im Land der Maya – Nebaj und Todos Santos

30.03.-09.04. 2015
 
In Coban verbringen wir ein paar Tage und haben Zeit für verschiedenste Wartungs- und Reparaturarbeiten an Motorrad und Ausrüstung. So lassen wir in einer Blechschmiede den Koffer, der beim Sturz etwas verformt wurde, wieder gerade richten. Die beiden Jungs in der einfachen Werkstatt unterbrechen überraschenderweise sofort ihre Arbeit um sich dem Dengeln des Koffers zu widmen. Am Ende wollen sie weniger Geld haben als wir gedacht hätten und nehmen nicht einmal das Trinkgeld an, welches wir zusätzlich geben wollen. Die Bikes bekommen eine Handwäsche um sie von dem Schlamm zu befreien. Daniel und Stephan modifizieren die Position der Handprotektoren an Stephans Bike, um die Lenkerposition ergonomisch anzupassen. Der erste Versuch in Leon scheiterte, da rechte Protektor zu sehr auf die Schraube zum Bremsflüssigkeitsreservoir drückte. Dies hatte den Austritt von Bremsflüssigkeit zur Folge, was wir glücklicherweise recht schnell bemerkt hatten. Des Weiteren nähen wir uns Polstertaschen für die Kameras und erledigen allerlei Krims Krams. In der Zwischenzeit helfen wir Daniel bei den Dreharbeiten zu seinem Trailer für das Motorcycle Film Festival und so kommt es, dass Stephan während der Fahrt verkehrtherum auf meinem Rücksitz sitzt und Daniel beim Fahren von frontal filmt.
 
Hier in Coban haben wir auch das erste Mal auf der Reise Magenprobleme, doch diese sind nach einigen Tagen mit etwas Unterstützung von Pepto Bismol, der rosa-schleimigen Medizin zum Trinken, wieder verschwunden.
Nach den Tagen in der unspektakulären Stadt trennen sich vorerst die Wege von uns und den beiden anderen Motorradreisenden, mit denen wir seit Cancun unterwegs sind. Sie wollen nach Antigua zur Semana Santa fahren (Osterprozessionen) und hatten schon lange im Voraus ihre Unterkunft gebucht. Wir müssen noch etwas Zeit in Guatemala absitzen, damit uns das Paket mit den Umlenkhebeln noch erreicht. Daher fahren wir zunächst in den Nordwesten des Landes. Der Weg führt uns zunächst über eine 30 Kilometer lange Schotterpiste in die Berge und wir durchfahren dabei kleine Dörfer, die primitiver nicht sein könnten. Einfache Hütten, aus Holz und Wellblech gefertigt, stehen am Wegesrand. Der Fußboden in den Hütten ist simpler Erdboden, sodass wir uns ausmalen wie es hier wohl während der Regenzeit aussieht. Wie wir es schon vorher auch in Mexiko gesehen haben, wird die Wäsche zum Trocknen überall hingelegt, auf Dächer, den Boden oder über Stacheldrahtzaun. Hühner, Schweine und Hunde laufen scheinbar herrenlos über die Straße. Toilettenhäuschen bestehen aus Holzgerüsten die mit Folie zum Sichtschutz abgehangen sind. Kinder sitzen auf der Straße und räumen Steine umher. Sie wollen uns anhalten und fragen rufend nach Geld. Doch so Leid uns die Kinder auch tun, ist es besser nicht zu stoppen, da man hier in den abgelegenen Gebieten eben doch nicht weiß, ob noch jemand im Busch lauert. Abgesehen davon wissen wir nicht, ob die Kinder nicht sogar nur zum Zweck des Bettelns von ihren Eltern auf die Straße gesetzt werden. Hier Geld zu geben verschlimmert die Situation der Kinder nur noch.
 
Anschließend rauschen wir über eine überraschend gut asphaltierte und kurvenreiche Straße. Auch hier in der Gegend finden schon die Vorbereitungen für die Ostermessen statt. Auf den Straßen werden bunte Teppiche mit verschiedensten Motiven aus Blumen, gefärbten Sägemehl und Nadelblättern gestreut. Einige Straßen in den Dörfern sind dafür gesperrt, sodass wir immer wieder stecken bleiben und Umwege fahren müssen. Die Überlandstraßen führen immer direkt durch das Zentrum, über den vollen Marktplatz. Das ist zwar einerseits interessant, kann aber auch nervig werden, wenn wir in der Hitze vorankommen wollen.
 
Unsere Reise führt uns so in das Örtchen Nebaj. Von der Stadt sind wir zunächst nicht sonderlich beeindruckt, doch was wir auf dem Hauptplatz vor Kirche sehen, haut uns um. Der ganze Platz ist voll von traditionell gekleideten Mayas, die auf Bänken und Treppen herumsitzen und scheinbar auf etwas warten. Wir beobachten die Vorbereitung eines gigantischen Blumenteppichs, bei denen von jung bis alt alle mitmachen: mit Hilfe von Schablonen werden die bunten Muster ausgestreut.
Nach einiger Zeit findet plötzlich mehr Bewegung auf dem Platz statt: die Prozession geht los. Aus der Kirche kommt nun eine Menschenmasse geströmt. Die ganze Treppe ist plötzlich von Maya-Frauen überlaufen, die traditionellen Kopfschmuck und hübsche Gewänder tragen. In dem Moment haben wir Gänsehaut. Immer mehr Leute kommen aus der Kirche geströmt und wir können uns gar nicht entscheiden ob wir gucken und den Moment genießen, oder fotografieren sollen, um diese Eindrücke für später festzuhalten. Ein Luxusproblem, welches wir nicht zum ersten Mal auf der Reise haben.
 
Weiter unten in der Stadt ist ein Volksfest im Gange. Im Grunde ist es genauso wie auf einer deutschen Kirmes: Fahrgeschäfte, Spielbuden und Imbissstände. Nur hat alles einen etwas anderen Standard. Nachdem wir uns an der Imbissbude mit Pizza versorgt haben, steuern wir auf eines der beiden Riesenräder zu. Die Gondeln sind besetzt mit jugendlichen Mayas, fast alle traditionell gekleidet, ein für uns seltener Anblick. Ein kleiner Motor mit Schaltgetriebe bringt ein Stahlseil in Bewegung, welches sich um das ganze Riesenrad zieht und für die Rotationsbewegung sorgt. Warum fahren wir nicht mal `ne Runde mit? Gemütlich werden wir in unserer Sitzbank, die etwas an alte Skilifte erinnert, nach oben befördert. Von dort haben wir einen unvergesslichen Ausblick auf das Treiben auf der Festwiese, die Stadt und die Berge im Hintergrund, während die Sonne schon tief am Himmel steht. Als wir dann Fotos mit Kamera und Handy machen, geht es plötzlich rund. Wir nehmen Fahrt auf und bald sind wir nur noch darauf konzentriert unseren Kram festzuhalten. Es geht plötzlich so schnell und wir haben das Gefühl gleich zwischen Sitzbank und dem Sperrriegel hindurchzurutschen, wenn nicht vorher schon die gesamte Sitzbank abreißt. Ein Überschlag mit der Gondel scheint auch nicht mehr fern. Stephan krallt in der einen Hand die Kamera und in der anderen den Rucksack fest. Ich weiß nicht wie er es geschafft hat nicht rauszufliegen. Mit einer Hand konnte ich gerade so mein Smartphone festhalten, da es mir unmöglich war, dieses während der Fahrt wegzustecken und mit der anderen Hand musste ich irgendwie versuchen mich festzuhalten. Dann halten wir an und wir können uns wieder entspannen. Doch das war es noch nicht, wir nehmen wieder Fahrt auf, dieses Mal rückwärts. Als wir das erste Mal den obersten Punkt passieren, steht unsere Sitzbank für einen kurzen Moment fast waagerecht, sodass wir mit dem Gesicht auf den Boden schauen. Wir wissen nicht ob wir schreien oder lachen sollen. Wir überstehen die nächsten Runden und sind doch etwas erleichtert als wir wieder langsamer werden. Mit etwas schlotternden Knien, aber einem fetten Grinsen auf dem Gesicht, verlassen wir dieses rotierende Monster. Eigentlich hat es ja Spaß gemacht, hätten wir nicht das Misstrauen in die guatemaltekische Technik gehabt und hätten wir nicht unsere Sachen festhalten müssen.
 
In Huehuetenango haben wir einen Kontakt von Couchsurfing, der uns ein paar Tage bei sich wohnen lassen würde. Das Einbahnstraßenlabyrinth in der Stadt treibt uns fast zum Wahnsinn. Entweder darf man nicht da abbiegen wo man möchte oder erkennt gar nicht erst, dass es sich um eine Einbahnstraße handelt, da die Beschilderung fehlt. An einer zunächst normalen Straße mit zwei Fahrrichtungen landen wir fast im Gegenverkehr, da unsere Spur unscheinbar nach rechts abzweigt, was wir verpassen und uns dann plötzlich in einer zweispurigen Einbahnstraße in falscher Richtung bewegen.
Carlos, unser Couchsurfing Gastgeber empfängt uns freundlich und gibt uns unser eigenes Zimmer im Hinterhof. Er ist Bäcker und will demnächst sein eigenes Café im Innenhof aufbauen. Von Huehuetenango aus machen wir einen Ausflug in die Kleinstadt Todos Santos, die in den Cuchumantes Bergen liegt. Todos Santos, eine Stadt die dafür bekannt ist, dass auch die Männer in traditioneller Maya Kleidung unterwegs sind. In den meisten anderen Regionen tragen nur noch die Frauen typische Gewänder. Hier in Todos Santos haben alle Männer längs rot-weiss gestreifte Hosen an, dazu Hemden und Hüte, je nach Familienangehörigkeit mit einem anderen Muster. Für uns sieht das Stadtgeschehen eher wie eine grosse Zirkusvorstellung aus. Das Volk der Maya ist generell sehr fotoscheu. Wir fragen also Leute ob wir ein Portraitfoto machen dürfen, bekommen aber fast immer ein Nein zu hören. Da wir unser Teleobjektiv in Huehuetenango vergessen haben, können wir auch keine Szenen aus der Ferne aufnehmen. Die Stadt ist für guatemaltekische Verhältnisse recht reich, was wir an den üppig ausgebauten mehrgeschossigen Steinhäusern festmachen. Viele der Männer arbeiten in den USA und schicken Geld nach Hause. Nach ein paar Stunden umherlaufen haben wir genug und machen uns auf den Rückweg.
In Huehuetenango besuchen wir den zentralen Friedhof. So wie dieser aussieht, kann man ihn wahrlich als eine Stadt der Toten bezeichen. Es gibt hier keine bepflanzen Erdfleckchen, so wie wir es aus der Heimat kennen. In einer Betonwüste reiht sich Grabhäuschen an Grabhäuschen. In zum Teil mehreren Etagen werden die Särge eingeschoben und dann zugemauert. Jedes Haus sieht anders aus, ist bunt bemalt und oftmals hübsch verziert. In angemauerten Vasen können die Angehörigen frische Blumen einstellen. Einige der Häuschen haben sogar eine Art Vorraum, in dem Fotos und persönliche Gegenstände der Verstorbenen ausgestellt sind. Es ist interessant zu sehen, wie unterschiedlich nicht nur das Leben in anderen Laendern verläuft, sondern auch die letzte Ruhestätte anders gestaltet ist.
 
Carlos und seine Freunde nehmen uns mit auf den Wochenmarkt. Hier zeigt sich wieder das Chaos von Zentralamerika: Warum findet der Markt dort statt, wo sich alle 5 Minuten große Busse zwischen den Obst- und Gemüseständen durchquetschen müssen? Das Gedränge ist gross genug und hier soll auch noch Platz für diese riesigen Monster gemacht werden, die einfach drauf zuhalten. Wir müssen ständig auf der Hut sein. In dem Getummel ersteht Carlos spontan ein kleines Zicklein, welches wir nach Hause tragen und dort erstmal mit warmer Milch versorgen.
Unser Aufenthalt in Huehuetenango verlängert sich, da wir die Chance haben ein Waisenhaus kennenzulernen und dieses über die Stiftung für Helfer unterstützen möchten. Carlos arbeitet dort als Freiwilliger und so fahren wir mit den Bikes dort hin. Einen Bericht dazu gibt es im nächsten Beitrag.
 
In Chichicastenango treffen wir uns wieder mit Joey und Daniel. In Coban hatten sich ja unsere Wege getrennt, doch da es irgendwie Spass gemacht hat, wollen wir noch eine Zeit lang gemeinsam weiterreisen. Ausserdem muss Daniel noch sein Trailerprojekt fertigstellen, bei dem wir ihm vielleicht etwas helfen können. Chichicastenango ist bekannt für den größten indigenen Kunst- und Handwerkermarkt Zentralamerikas, der immer donnerstags und sonntags stattfindet. Wir fragen uns wer das ganze Zeug kauft. Es gibt tausende Taschen, Textilwaren, Hemden, Armbänder und sonstigen üblichen Souvenirkram der für Touristen bestimmt ist, aber außer uns ist hier kaum jemand. Aufwendig aufgebaute Holzgerüste bilden das Konstrukt für die Stände. Lebendig wird es bei den für die Einheimischen interessanten Ständen mit Lebensmitteln wie Bohnen, Mais, Reis, Obst, Gemüse, Eiern und rohem Fleisch. Auch lebendige Tiere wie Hühner oder Schweine werden gehandelt.
 


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Südmexiko – Mayadorf und Umlenkhebel

13.-21.03. 2015
 
Am Abend möchte uns Vera noch etwas zeigen. Zum einen die Ruinen von Aké und ein Mayadorf. Viel interessanter als die Ruinen war jedoch eine Spinnfabrik direkt daneben. Leider konnten wir ohne eine circa 10€ teure „Fotoerlaubnis“ keine Fotos machen, doch einen Blick durften wir riskieren. Ich fühlte mich wie ins 18. Jahrhundert zurückversetzt. Auf der einen Seite im Gebäude liegt der Rohstoff: Fasern der Sisal-Agave, die hier in der Gegend auf Feldern angebaut wird (aus Agaven wird auch Tequila hergestellt). Am anderen Ende wird das Endprodukt, ein mitteldicker Strick auf große Rollen gewickelt. Dazwischen befinden sich zahlreiche Maschinen, welche Fasern und Fäden in einer Geschwindigkeit verarbeiten, dass man kaum erkennen kann was da genau passiert. Die ganze Anlage sieht jedenfalls aus wie ein Museumsstück, welches aus den alten Zeiten der Industrialisierung in Europa stammt. Nur, das es hier noch läuft, rotiert und klappert. Im Nachhinein ärgere ich mich ein wenig, dass wir nicht einfach die Erlaubnis gekauft haben. Es wären sicherlich einige sehr interessante Fotos und Filmchen dabei herausgekommen.
 
Zum Schluss bleibt noch das Maya-Dorf San José Oriente, welches uns Vera zeigen will. Es ist früher Abend und scheinbar alle Dorfbewohner sind auf der Straße. Die Frauen tragen alle traditionelle Kleidung. Einige schauen uns skeptisch an, andere lächeln freundlich. Am Hauptplatz sitzen und stehen sowohl alte als auch junge Männer gesellig beisammen. Als wir mit unseren drei Bikes dort ankommen, sind wir natürlich das Zentrum der Aufmerksamkeit. Das heißt nicht, dass alle gleich auf uns zustürmen, aber aus sicherer Entfernung wird geschaut und getuschelt. So, was machen wir nun hier? Wir fühlen uns etwas unbeholfen und wissen nicht so richtig wie wir auf sie zugehen sollen, erscheint es uns doch komisch einfach zu fragen, „na, wie geht’s so?“. Vera kennt einige der Leute, da er auch hier regelmäßig seine Backwaren vertreibt. Auf seinen Vorschlag hin fahren wir eine kleine Runde durchs Dorf. Da es schon halb dunkel ist lohnt es sich nicht mehr die Kamera auszupacken und wir überlegen uns, am nächsten Tag wiederzukommen. So tauchen wir am Folgetag nochmals in San José Oriente auf, diesmal ohne unseren „Guide“, was uns die Kontaktaufnahme nicht gerade erleichtert. Wir wollten gerne ein paar indigene Mayas fotografieren. Vielleicht ist das auch ein fragwürdiges Anliegen, wenn man es aus der Perspektive der Dorfbewohner betrachtet. Sie wohnen dort ihr Leben lang und plötzlich kommen Fremde mit ihren Kameras. Wie würde sich ein Deutscher fühlen, wenn ein Fremder über die Gartenhecke schaut und fragt ob er ein Foto machen dürfe? So kommen wir uns auch etwas komisch vor und wissen nicht so recht ob wir nun jemanden fragen sollen oder nicht. Die Mayas sind zudem sehr schüchtern, besonders was Fotos angeht.
 
Die typischen Häuser hier sind einfache Lehmbauten mit ovalem Grundriss und einer Öffnung jeweils auf den langen Seiten. Man kann also quer hindurchschauen und in der Mitte sehen wir häufig jemanden in der Hängematte liegen. Die Dächer sind aus Wellblech oder getrockneten Blättern errichtet, der Boden ist einfache Erde. Ab und an gibt es aber auch Massivhäuser aus Stein. Auf den Straßen laufen Schweine, Hunde, Truthähne und Hühner umher. Kinder erspähen uns und verstecken sich kichernd wieder, manche winken. Ein paar Kinder spielen auf der Straße und als sie uns erblicken werden sie neugierig. Ein kleiner Junge fragt uns ob wir ein Foto von ihm machen wollen, er hat uns wohl unser Anliegen von den Augen gelesen. Erfreut über das Angebot machen wir einige Fotos von ihm und seinem kleinen Cousin und bald sind auch die anderen Kinder dabei. So kommen wir etwas ins Gespräch und bekommen auch noch eine tropische Frucht angeboten, welche die Kinder gerade vom Baum geschlagen haben.
 
Eigentlich sollte die weitere Route nach Tulum, zu den Maya Ruinen am Meer gehen, denn zur Touristenhochburg Cancun wollten wir gar nicht erst in den Norden fahren. Allerdings sind die beiden anderen Motorradreisenden Joey (Josephine) und Daniel gerade in Cancun. Die beiden wollten wir gerne wiedertreffen und da unser Kontakt in Tulum auch noch abgesagt hatte, haben wir die Route kurzerhand umgelegt. Es gibt natürlich viel zu erzählen, haben wir doch während unseren Reisen jeweils viel erlebt. Uns gefällt jedenfalls die neue Gesellschaft und es ist schön sich mit Gleichgesinnten auf Deutsch zu unterhalten. Zudem haben wir einen ähnlichen Humor und daher gibt es immer etwas zu lachen.
 
Das Lachen vergeht uns jedoch kurzzeitig, als wir feststellen, dass beim tiefergelegten Bike der Ausgleichsbehälter des neuen Öhlins Federbein offensichtlich auf die Schwinge durchgeschlagen ist. Was nun? So darf es nicht bleiben, ist doch die Gefahr zu groß, dass der Ausgleichgehälter, in dem sich das Gas unter Hochdruck befindet, beschädigt wird. Sch…ße, denken wir uns, gerade 6 Wochen festgehangen und nun schon wieder so ein Problem mit der Federung. Eine Möglichkeit wäre massiv Gepäck loszuwerden. Ein bis zwei Kilo sind vielleicht drin, doch für wesentlich mehr Gewichtseinsparung müssten wir Campingausrüstung und Werkzeuge abwerfen. Eine andere Möglichkeit wäre, die Federbeine der beiden Motorräder zu tauschen, da in dem anderen das Original Federbein sitzt und der Behälter etwas kleiner ausfällt. Die langwierige Prozedur haben wir ja erst durch… . Eine andere Idee ist, das Bike wieder auf seine ursprüngliche Höhe zu legen, nur fehlen uns dazu die Originalen Umlenkhebel, die natürlich zu Hause in einer Kiste liegen. Die rettende Idee ist nun, die Umlenkhebel der beiden Maschinen temporär zu tauschen, bis wir die Originalteile haben. Gesagt getan, auf dem Zeltplatz errichten wir mithilfe von Holz- und Steinblöcken unsere eigenen Motorradheber, da wir bei beiden Maschinen gleichzeitig die Hebel für den Kreuztausch ausbauen müssen und dummerweise der Hauptständer zur Entnahme der Bolzen im Weg ist. Ab und an kommt uns ein Leguan besuchen und schaut uns neugierig bei der Arbeit zu. Nun muss sich Stephan mit einer tiefergelegten Maschine vergnügen, während ich feststelle, dass es sich mit der Originalhöhe eigentlich viel besser fährt, abgesehen von den Situationen, in denen ich mit den Füßen den Boden berühren muss, um zu rangieren. Parallel dazu sind zu Hause die originalen Umlenkhebel schnell gefunden und werden im Paket nach Guatemala vorausgeschickt.
 
Von Cancun selbst haben wir gar nicht so viel gesehen, worüber wir aber auch nicht böse sind. Naja Stephan vielleicht ein wenig, da wir gar nichts von den Spring Break Ritualen mitbekommen haben, welche hier gerade von den US-Teenies gefeiert werden.
An den Höhlen von Loltun hatten wir auch die beiden jungen Deutschen Patrick und Matthias kennengelernt, welche eine dreiwöchige Rundreise über die Halbinsel gemacht haben. Wir haben uns recht gut verstanden, es gab viel zu besprechen und so kommt es, dass wir uns mit den beiden nochmal in Cancun wiedertreffen. Sie erklären sich auch bereit mein Objektiv mit nach Deutschland zurück zunehmen, welches kürzlich seinen Geist aufgegeben hat. Das 70-200mm Teleobjektiv macht nur noch matschige und detaillose Fotos, womit es nur noch unnötiger Ballast geworden ist. Wahrscheinlich hat sich während der ganzen Motorradfahrten etwas losgerappelt, obwohl wir es extra gepolstert hatten. Schade, es war mein Lieblingsobjektiv und nun muss ich erstmal auf lange Brennweiten verzichten.
 
Beim Playa de Akumal sind Joey und Daniel zu einer Party eingeladen, zu der wir auch mitkommen dürfen und es stellt sich heraus, dass es die Abschiedsfeier von einem mexikanischen Pärchen ist, welches sich auch mit dem Motorrad auf eine lange Reise begibt. So treffen wir viele andere Motorradreisende, darunter auch Simon und Lisa, die beiden Engländer, die seit 11 Jahren mit ihren beiden BMWs durch die Welt fahren. Sie haben ihre Reise schon halb zum Beruf gemacht und verdienen mit Texten, Präsentationen und dem Verkauf von Fotos und Merchandise-Produkten Geld für ihre Reisekasse. Das hört sich vielleicht erstmal interessant an, doch muss man auch dafür bereit sein, seine eigene Reise entsprechend zu vermarkten. Dementsprechend wäre man wohl immer auf der Suche nach „den“ Stories, die sich meistens aber nicht ergeben indem man sie gezielt sucht.
 
Bevor wir uns nach 3,5 Monaten endgültig von Mexiko verabschieden, vertreiben wir uns noch ein wenig die Zeit an der Laguna de Bacalar mit Paddelborad fahren und entsprechenden Wasserschlachten.
Unsere Zeit in Mexiko war sehr erlebnisreich und wir haben viele Menschen hier sehr lieb gewonnen. Wie oft haben wir in den USA gehört „isn’t it dangerous down there?“. Mexiko hat uns gelehrt, dass die ganze Angstmacherei unsinnig ist, vor allem wenn sie von Leuten betrieben wird, die noch nie dort gewesen sind oder von Regierungen, die wirtschaftliches Interesse daran haben, andere Länder in Armut zu halten. Leider mussten wir in den USA auch von schießgeilen texanischen Rentnern erfahren, welche private „Grenzpatrouillen“ fahren und denken, sie dürfen über Leben und Tod illegaler mexikanischer Einwanderer entscheiden. Solche Dinge machen uns nun noch trauriger, da wir die andere Seite nun kennen. Läge nicht das Mittelmeer als natürliche Grenze zwischen Europa und Afrika, hätte die EU sicherlich auch mehr Stacheldrahtzäune und Munition bereit liegen.
Ja, es gibt den Drogenkrieg, Korruption und viel Armut in Mexiko und man darf dies keinesfalls herunterspielen. Doch das heißt andererseits auch nicht, dass an jeder Straßenecke jemand lauert und einen umbringen will. Das alltägliche Leben findet hier ganz normal statt. Ich spaziere auch nicht gerne nachts allein in Frankfurt am Hauptbahnhof, in der Münchener U-Bahn, in Köln-Chorweiler oder in Berlin-Neukölln herum. So gibt es auch in Mexiko Gebiete die man meiden sollte. Viele Geschichten von ausgeraubten Touristen enttarnen sich bei näherem Hinsehen als Geschichten von Leuten die nachts allein oder betrunken zum Hotel zurück laufen und damit leichte Opfer sind. Wenn man sich vorher informiert wo die Brennpunkte sind und ansonsten gesunden Menschenverstand walten lässt, kann man Mexiko sehr gut bereisen und wird von seiner Vielfalt und den herzlichen Menschen begeistert sein. Wir hatten geplant das Land in 2 Wochen zu durchfahren, geworden sind es 16.
 
Wir wurden doch tatsächlich von einer Mexikanerin gefragt, ob es in Deutschland nicht gefährlich sei, sich als Ausländer aufzuhalten. Sie hatte ernsthafte Bedenken bezüglich ihrer zukünftigen Reise in unser Heimatland. In einer Dokumentation hatte sie gesehen, welche Verbrechen Rechtsradikale in unserem Land an Ausländern verüben. Als Deutsche können wir uns dafür nur schämen und sind betrübt über dieses Bild, welches in der Außenwelt kursiert. Genauso betrübt sind die Mexikaner, wenn sie erfahren, wie sie von der westlichen Welt gesehen werden. Liest man die Sicherheitsinformationen zu Mexiko auf der Seite des ausländischen Amtes, würde man wahrscheinlich ebenso von einer Reise in das Land absehen. Woher sollte man es auch besser wissen? Wir sind angewiesen auf die Informationen, die uns andere bereitstellen. Doch es gibt scheinbar immer mehrere Wahrheiten und die Negativberichte der Medien sind vielleicht eine davon. Ein weiterer Grund für diese Reise: es gibt uns die Gelegenheit das, was uns die Medien weismachen wollen, mit dem zu vergleichen was in der Realität passiert.
 


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Südmexiko – Öl, Ruinen, Cenoten und Brot

01.-13.03. 2015
 
In Puebla haben wir über die Dauer von 6 Wochen das Alltagsleben in einer mexikanischen Großstadt kennengelernt und verschiedenste kulturelle Ereignisse miterlebt. Auch wenn wir uns bei Rosy und Tony sehr wohl gefühlt haben, kam nach einiger Zeit der Wunsch auf, weiter zu reisen, wenngleich wir uns kaum mehr vorstellen können, wie es ist, wieder jeden Tag unterwegs zu sein. Der Abschied viel dann doch schwer, vor allem da wir nicht wissen, ob es ein Wiedersehen geben wird. Als sich dann die Familie links und rechts vor der Ausfahrt aufreiht und jeder mit einem weißen Tuch winkt, als wir hinausfahren, wird es nicht leichter. Im Rückspiegel sehen wir sie zum letzten Mal.
 
Der Süden Mexikos bietet uns genau die Abwechslung, die wir uns nach so langem Aufenthalt in ein und derselben Stadt gewünscht haben. In einem Tagesritt düsen wir nach Coatzacoalcaos, einer Stadt an der Ostküste im Bundesstaat Veracruz, in der uns Tonys Schwester einen Kontakt vermittelt hat. Nachdem wir am Pico de Orizaba vorbeigerauscht sind und von 2000 Meter Höhe ins Tal hinab fahren, wechselt das trockene und staubige Wüstenklima schnell in schwülwarme Subtropen.
 
Wir befinden uns nun am Golf von Mexiko, an dem das schwarze Gold gewonnen wird: PEMEX ist der staatliche Mineralölkonzern Mexikos und besitzt ein Monopol für den Verkauf von Diesel und Benzin im ganzen Lande. Auch wir haben ausschließlich bei PEMEX unsere Tanks gefüllt, weil es keinen einzigen Mitbewerber in Mexiko für den Verkauf von Treibstoff gibt. Wenn Wikipedia Recht hat, dann wird die Staatskasse Mexikos zu einem Drittel durch die Gewinne des Ölkonzerns gefüllt. Der Konzern hat in Coatzacoalcos zahlreiche Bohrinseln, Raffinerien, Industrieanlagen und einen großen Hafen für den Öltransport. Zu uns sagte mal ein Mexikaner: „Mexiko hat viele schöne aber auch viele hässliche Orte“. Die Raffinerien an denen wir vorbeifahren gehören zumindest nicht zu den schönen Orten.
 
Der Vater der Familie, die uns sehr herzlich aufgenommen hat, arbeitet seit Jahren bei PEMEX und trägt auch noch beim Abendessen ein Hemd mit dem Emblem seines Brötchengebers. Alfred, der Neffe, studiert Chemie und macht in einer der Anlagen in der Umgebung ein Praktikum. Gemeinsam fahren wir zum Ufer am Stadtrand, wo vor 20 Jahren richtiger Strand mit Sand und Palmen war. Heute steht hier eine lange Mauer und von weitem sehen wir die Lichter der Erdölanlagen. Im Vergleich zu anderen Jobs in Mexiko verdienen die Menschen hier relativ gut. Die Familie beklagt allerdings das Fehlen von kulturellen Einrichtungen wie Kinos oder Theater beziehungsweise anderen Freizeitgestaltungsmöglichkeiten. Die Stadt sei aufgrund des Ölbooms schnell gewachsen, doch seien kaum Möglichkeiten hinzugekommen, das Geld für Freizeitaktivitäten auszugeben. Unsere Gastgeber waren so freundlich zu uns, dass wir einerseits gerne noch einen weiteren Tag geblieben wären, doch aufgrund der langen Pause wollten wir andererseits weiter.
 
In Chiapas de Corzo besuchen wir den Biker Eduardo. In einer großen Halle hat er drei Motorräder zu stehen, darunter auch eine ältere BMW GS 1200. Zugleich sind auch die beiden Mexikaner „Ghost“ und seine Freundin Mayra Gast, die mit ihrer Harley bei einem Biker Treffen in Belize City waren und nun auf der Rückreise nach Mexiko Stadt sind. Ghost versorgt uns mit Kontakten in Campeche und Yucatan, bei denen wir später tatsächlich vorbeifahren. Mit den beiden machen wir am nächsten Tag eine Tour mit einem der Boote von Eduardos Touristikunternehmen. So bekommen wir ein wenig Rabatt auf den Ausflug. Auf dem Rio Grijalva fahren wir zwischen den steilen, bis zu 1000m hohen Felswänden des Canyon del Sumidero entlang. Dabei bekommen wir am Flussufer sogar einige Krokodile zu Gesicht und in den Bäumen tummeln sich Affen.
 
Stephan hat abends leichtes Fieber und Husten. Da macht sich leichte innere Panik breit: nicht schon wieder, wir haben genug von Krankheiten… . Vorsichtshalber gehen wir gleich zu einer Arztpraxis. Doch wie vermutet will uns die Ärztin direkt ein Antibiotikum verschreiben. Wir kaufen es gar nicht erst, es gab schon genug Antibiotikum für uns in der letzten Zeit. Die Symptome sind zum Glück später von allein wieder verschwunden.
 
Die nächste Tagesetappe führt uns über kurvige Bergstraßen vorbei an Palmen und Nadelbäumen, die oftmals direkt nebeneinander stehen. Eine solche Kombination von Vegetation war mir bisher unbekannt. Direkt vor dem Nationalpark von Palenque finden wir dank einem Tipp von Joey und Daniel, den beiden anderen Motorradreisenden die wir in San Diego getroffen hatten, eine günstige Unterkunft in einem Bungalow-Dorf im Dschungel. Allerdings macht uns der bauliche Zustand dieser Doppelstockhäuschen nachdenklich, als wir in unserem Zimmer die Schwingungen spüren, sobald jemand die Wendeltreppe hinaufkommt. Wir nehmen uns einen Tag Zeit um die Maya Ruinen von Palenque zu besichtigen. Diese im Dschungel liegende alte Stadt lädt sowohl zu Entdeckungstouren in den weiter abseits im Wald gelegenen Anlagen als auch zum Herumklettern auf den größeren Ruinen von Palast und Tempeln ein. Im Gegensatz zu anderen Ruinenstädten ist das hier noch erlaubt. Vom Kreuztempel aus haben wir einen Blick über die ganze Ruinenstadt und weit bis zum Horizont des Dschungeltieflandes.
 
Unsere Route führt uns weiter nach Campeche, wo wir den Biker Ambrosio besuchen. Er wohnt in einer hübschen Gartenanlage, die er gelegentlich für Events wie Hochzeitsfeiern vermietet. Wir dürfen unter dem Carport unser Zelt aufschlagen und auch den großen Pool jederzeit benutzen. Zum Mittagessen werden wir von Ambrosio und seinen Freunden zu Fischtacos eingeladen. Der Fisch kommt direkt vom Grill und die frische Salsa trägt das Übrige zu diesem leckeren Geschmackserlebnis bei. Ambrosio ist Mitglied im Bikerclub „Piratas Campeche“ und ist mit einer Harley Davidson und entsprechenden Aufnähern für seine Bikerklamotten ausgerüstet. Auf einer abendlichen Rundfahrt zeigt er uns die Stadt Campeche, mit ihrer alten Stadtmauer und den zwei Forts, welche der Verteidigung gegen Piraten dienten. Am Sonntag geht’s auf zur gemeinsamen Ausfahrt mit dem Bikerclub. Mit sieben Motorrädern fahren wir nach Hopelchén, wo uns einer der Biker zum Grillen bei seiner Familie einlädt. Auf dem Weg machen wir noch einen kurzen Abstecher nach Edzna, einer der zahlreichen archäologischen Stätten der Halbinsel Yucatan.
 
Zu Gunsten der Grutas von Loltun, einem Höhlensystem, verzichten wir auf einen Besuch der bekannten Ruinen von Uxmal. Die Yucatan Halbinsel ist von einem Netz aus Höhlen und unterirdischen Süßwasserläufen durchzogen. Daraus ergeben sich viele kleine und große Highlights, die man bei einem Besuch der Region nicht verpassen sollte: Cenoten. Cenoten sind Wasserlöcher, die durch den Einsturz der Kalksteinhöhlen entstanden sind. Sie können oben komplett offen sein oder nur ein kleine Öffnung in der Decke haben, durch das die Sonnenstrahlen scheinen. Die üppige Vegetation ringsherum und das meist sehr klare Wasser lassen diese Orte wie kleine Paradiese erscheinen. Voll touristisch erschlossenen und mit Mauern umbaut, bis hin zu im Dschungel versteckten oder sogar noch unentdeckten Cenoten findet sich auf der Halbinsel alles. Für die Maya sind die Cenoten heilig, sie sind der Eingang zur Unterwelt der Toten, aber auch wichtige Süßwasserquelle. Mit circa 6000 Cenoten befindet sich auf der Halbinsel das vermutlich größte Unterwasserhöhlensystem der Erde. Die Höhlen der Grutas von Loltun sind ein System aus ehemaligen Cenoten und Unterwasserhöhlen, die aufgrund einer natürlichen Senkung des Wasserspiegels aber heute trocken und damit begehbar sind. In jeder der Haupthöhlen begegnen uns andere Kalksteinformationen wie Stalagniten und Stalaktiten und wir fühlen uns mal wieder wie in einer anderen Welt.
 
Bis zu unserem Ziel nach Tahmek ist es nicht mehr weit und so machen wir nach dem Besuch der Höhlen noch halt bei einer unbekannteren alten Mayastadt: Mayapan. Sie ist nicht ganz so groß wie die Berühmtheiten von Chichen Itza oder Uxmal, dafür ist hier kaum ein Mensch und wir haben die ganze Anlage für uns allein. Wir müssen sie lediglich mit den vielen Leguanen teilen, die hier ein scheinbar entspanntes Leben führen. Von der Spitze der sehr Steilen Pyramide in der Platzmitte können wir kilometerweit in alle Himmelrichtungen das flache Yucatan überblicken.
 
In Tahmek, einer kleinen Stadt irgendwo zwischen Merida und Valladolid, sind wir mit dem Bäcker Vera verabredet. Wir wissen nur den Namen der Straße in der er wohnen soll, Straßennamen und Hausnummern sind hier Fehlanzeige. Ein Betrunkener auf dem Marktplatz weist uns wohl eher zufällig in die richtige Richtung und so sehen wir Vera, wie er uns vor seinem Haus sitzend zuwinkt. Direkt vor dem Backraum dürfen wir unser Zelt aufschlagen. Vera bäckt Brot, Pizza und süße Teilchen und liefert diese an alle mögliche Läden und auch Schulen in der Umgebung, einen eigenen Verkaufsraum hat er nicht. In der Bäckerei zeigt uns Vera die alten Knetmaschinen, Teigwalzen und den Ofen. Das Brot wird auf einem langen Holztisch geformt. Es wäre interessant wie das deutsche Gesundheitsamt auf diese Backstube reagiert hätte. Was hier in Mexiko völlig normal ist, wäre in Deutschland ein Skandal. Die ganze Familie ist in den Backbetrieb einbezogen. Die Söhne und der Partner der schwangeren 16-jährigen Tochter helfen beim Backen und beim Ausliefern mit dem Motorrad oder Auto. Vera erzählt uns das er so circa 80 Pesos am Tag verdient, was ungefähr 5€ entspricht.
 
Einige Male im Jahr verdient er sich jedoch an der Küste etwas dazu: mit Seegurken kochen. Im Norden von Yucatan ist das Meer reich an Seegurken, welche im asiatischen Raum stark als Potenz- und Heilmittel nachgefragt sind. In China werden zum Teil mehrere Hundert Euro für bestimmte Seegurkenarten bezahlt. Wir hatten uns damals schon in Chinatown in San Francisco über die Preise einiger Seegurken gewundert: $500 pro Pfund waren keine Seltenheit. Das Kochen der Seegurken wird jedenfalls gut bezahlt, da es anstrengende Arbeit verbunden mit Hitze und Gestank ist. Vera erzählt uns auch von den „Seegurken-Baronen“, einige wenige Männer, die die Lizenz zum Seegurkenhandel haben und angeblich Millionen von Dollar damit verdienen. Man könnte auch von einer Art Seegurken-Mafia sprechen, die niemanden von außen ins Geschäft lässt.
 
Die mexikanischen Bundestaaten auf der Yucatanhalbinsel heißen Quintana Roo, Campeche und Yucatan. Diese Regionen sind vom mexikanischen Drogenkrieg, der sich zwischen den Kartellen, Polizei und Militär abspielt nicht betroffen. Laut der Aussage von Vera, liegt es daran, dass dort die Drogenbosse ihre Häuser haben, in denen ihre Frauen und Kinder leben.
 
Vera fährt jedenfalls auch Motorrad und daher machen wir eine gemeinsame Tour in die Umgebung und besuchen einige Cenoten. Manche der Eingänge sind nur ein unscheinbares Loch in der Erde. Umso überraschter sind wir, als wir diese bildschönen Unterwelten zu Gesicht bekommen. Gleichzeitig sind wir froh, die Motorradkluft gegen Badesachen einzutauschen und ins kühle Nass zu springen, denn die Hitze draußen ist unerträglich. Allerdings ist es schon fast ein wenig gruselig unterirdisch in dem eigentlich klaren Wasser zu schwimmen. Da zum Teil kein Sonnenlicht auf das Wasser trifft, sieht man nur schwarz wenn man unter sich blickt und man muss aufpassen dass man sich nicht an Felsen und Steinen stößt, oder war es doch ein noch unentdecktes Höhlenmonster?
 
Auf dem Weg zur dritten Cenote werden wir durch den starken Regen fast völlig durchnässt. Kurz nach uns kommen an der Cenote zwei Argentinier mit einem Guide an, denen wir uns kurzerhand anschließen und so in den Genuss einer kostenfreien Führung kommen. Man hätte uns ja vorher sagen können, dass wir für die Begehung lieber direkt Badesachen anziehen sollten. Nachdem wir den glitschigen Abstieg hinunter sind, waten wir bald bis auf Brusthöhe durch das Wasser. Dann, als die Höhle zu Ende sein scheint, macht uns der Guide auf einen kleinen handbreiten Spalt aufmerksam. Das wäre die Stelle, wo wir nun tauchen müssten. Ach so, na gut, dann legen wir eben die Kamera weiter vorne ab, durchnässt waren wir ja eh schon. Mit etwas Überwindung und im Licht der drei Taschenlampen tauchen wir hindurch und finden uns dann in einer Art Tropfsteinhöhle wieder, an deren Decke duzende Fledermäuse hängen. Solche spontanen Erlebnisse sind nicht immer komfortabel, machen aber irgendwie glücklich. Bis auf die Unterwäsche nass, fahren wir erstmal zurück zur Bäckerei, um uns wieder aufzuwärmen.
 


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Wochenendausflug nach Morelia

02.-06.01.2015
 
Veronica und Sergio, Jorges Eltern, haben uns zu einem Wochenendausflug nach Morelia, circa 300km nord-westlich von D.F. eingeladen. Auch Laura kommt mit und so verbringen wir vier Tage im Bundestaat Michoacan. Die Innenstadt von Morelia beeindruckt mit guterhaltenen Bauten aus der Kolonialzeit. Wir wohnen die Tage in einer Plattenbausiedlung am Stadtrand. Am Samstag sind wir wieder zu einer Taufe eingeladen, welche dieses Mal in noch größerem Stil gefeiert wird. Die Taufzeremonie in der Kirche haben wir verpasst, da wir uns am Frühstückstisch zu lange mit gegenseitigem Spanisch- und Deutschunterricht aufgehalten haben.
 
Dafür sind wir dann direkt zur anschließenden Party gefahren, die etwas außerhalb der Stadt im Garten eines Eventlokals stattfand. Zu unserer Überraschung ist unter dem großen Partyzelt ist für 200 Personen sehr festlich gedeckt, krasse Fete für eine Taufe. Nebenan stehen zwei (!) Hüpfburgen für die Kinder (kurz vor Einbruch der Dunkelheit muss ich diese dann noch ausprobieren). Als Appetizer gibt es einen Fleischsaft, den ich dankend ablehnen muss. Alternativ gibt es zum Glück noch Schafskäse. Die Hauptspeise ist ein typisch mexikanisches Festtagsessen: Reis, Fleisch, Salsa und dazu werden Tortillas gereicht. Insgeheim freut sich jeder schon auf den „Pastel“ – den Kuchen. Auf den müssen wir noch bis zum Abend warten. In Mexiko verhalten sich Kaffeetrinken und Abendbrot umgekehrt zu deutschen Gewohnheiten: 15 Uhr gab es das Fleisch, um 20Uhr Kaffee und Kuchen. Am frühen Abend rückt eine circa 10-köpfige Band an, die man schon fast Blaskapelle nennen könnte. Blasmusik ist in Mexiko der absolute Hit. So lauschen wir zwei Stunden lang der ohrenbetäubenden Trompetenmusik, bei der man sich kaum mehr unterhalten kann. Da hilft es nicht, dass die Konversationen in Spanisch stattfinden. Wir können schon nach dem zweiten Lied keine „Melodie“ mehr unterscheiden, doch die Mexikaner rocken von Anfang an auf der Tanzfläche ab. Die Tanzfläche ist fast immer voll, auch schon bevor es Tequila gibt, schwer vorstellbar auf deutschen Familienfeiern. Die Mexikaner wissen wie man Feste feiert und so ist hier eine Taufe ein ausgewachsenes Fest, welches manche Hochzeitsfeier bei uns blass erscheinen lassen würde. Nur der Getaufte hat nicht viel davon, er ist so klein dass er noch nicht einmal laufen kann.
 
Am Sonntag fahren wir von Morelia nach Pátzcuaro, einem „Pueblo Magico“. Wer Mexiko besucht, sollte nach diesen „Pueblo Magicos“, was so viel bedeutet wie „magisches Dorf“ Ausschau halten. Diese Dörfer oder Kleinstädte zeichnen sich durch besonders schöne bzw. historisch bedeutungsvolle Gebäude uns Stätten aus. Sie sind im ganzen Land verteilt. Mit einem Boot fahren wir auf dem Lago de Pátzcuaro zur Insel Janitzio. Fischreiher säumen das noch natürliche Ufer, während wir auf die Insel zusteuern. Schon von weitem können wir die Fischerkanus sehen. Als wir näher kommen formieren sich die Fischer mit ihren Booten zu einem Kreis und präsentieren ihre traditionellen schmetterlingsförmigen Netze. Natürlich ist dies abgesprochen und nach der „Show“, der man sich vom Boot aus nicht entziehen kann, kommt einer der Fischer herüber und sammelt Geld ein. Die Schmetterlingsfischer gehören zur mexikanischen Kultur und sind auf der Rückseite des 50 Pesos Schein abgebildet. Heute sieht man sie allerdings nur noch als Touristenattraktion, fischen geht so niemand mehr. Die Insel ist eine Anhöhe in deren Mitte die Staute von José Maria Morelos thront, Denkmal eines Helden der mexikanischen Unabhängigkeit. Wir erklimmen die Statue und blicken auf den See und die Umgebung. Von hier können wir beobachten, wie sich die Fischer für das nächste Touristen-Boot bereit machen. Die Insel wirkt durch die aneinander gereihten Souvenirgeschäfte, mit fragwürdigen Gegenständen wie afrikanischen Masken (?) leider nicht sehr authentisch und wie eigens für den Tourismus erschaffen.
Zum Mittagessen wollen unsere Freunde eine ihrer Leibspeisen zu sich nehmen. Dafür fahren wir ins nahegelegene Quiroga, wo es die angeblich besten „Carnitas“ des Landes gibt. Es handelt sich hierbei um speziell gekochtes Schweinefleisch. Was für mich aussieht wie eine Mischung aus Fett, Haut und matschigem Fleisch, von deren Verzehr sogar Stephan absieht, ist für unsere mexikanischen Freunde ein Hochgenuss.
 
Am Abend machen wir wieder die Innenstadt von Morelia unsicher, schlendern durch die Gassen und essen Eis. Der 6. Januar, der Tag der Heiligen Drei Könige, der in Mexiko von größerer Bedeutung ist, steht vor der Tür. Entsprechend voll sind die Straßen und die Spielzeugwarenstände platzen aus allen Nähten.
 
Wir hatten ein sehr schönes Wochenende mit Sergio, Veronica und Laura. Wir haben viel gelacht und uns gegenseitig spanisch und deutsch beigebracht. Sie planen in zwei Jahren nach Deutschland zu kommen und wir hoffen, dass wir ihnen dann etwas von unserem Land zeigen können.
 


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Zurück in Mexiko-Stadt

27.12.2014-14.01.2015
 
Was wollen wir noch von Mexiko-Stadt sehen? Ein kurzer Blick ins Internet offenbart uns, das wir bei ausreichend Zeit einen Besuch von Teotihuacan nicht versäumen sollten.
50 km nordöstlich von D.F. liegt eine der bedeutendsten Ruinenstädte Mesoamerikas. Seit 200 v.Chr. wurde dieser Ort ungefähr tausend Jahre lang bewohnt und war mit bis zu 200.000 Einwohnern zu ihrer Glanzzeit ein dominierendes Zentrum und gilt als damals größte Stadt Amerikas. Wer die ursprünglichen Erbauer und Bewohner waren ist bis heute nicht geklärt. Die Azteken fanden die Stadt bereits verlassen vor.
 
Wir schlendern den 2,5km langen und 40m breiten Hauptweg entlang und lauschen dem Gebrüll der Jaguare. Das Fauchen, welches aus diesen Tonfiguren kommt, wenn man hineinbläst, wird zu allgegenwärtigem Geräusch. Jedes zweite Kind hat solch ein Ding. Die Verkäufer sind aufdringlich genug und nerven die Eltern wohl mehr als es die Kinder später mit ihren Jaguarfiguren können. Für uns wird es zum Dauerwitz und Roxana beweist uns das es auch mit den bloßen Händen geht. Da wir nun hier sind, können wir unmöglich nicht die 60m hohe Sonnenpyramide besteigen. Bei gefühlten 40 Grad im Schatten, den es aber hier leider nicht gibt, stellen wir uns an die Schlange, die sich vom Pyramidenboden über mehrere Windungen bis auf die Spitze zieht, an. Nach 45 Minuten haben wir schneller als erwartet (unter Auslassung einer Windung an der man sich theoretisch hätte anstellen müssen), die oberste Plattform erreicht. Nach dem obligatorischem Genuss der fantastischen Aussicht auf die Ruinenstadt und dem Schießen einiger Fotos begeben wir uns auf den 6-minütigen Abstieg.
 
Wieder versuchen wir uns vor dem inneren Auge vorzustellen was sich hier wohl vor 2000 Jahren abgespielt hat. Kurzzeitig gelingt es: Bauern verkaufen ihre Ernte, Töpfer stellen Tongefäße her, Tiere und Menschen laufen im Gedränge umher, bunt geschmückte Herrscher stehen auf den Pyramiden und sehen auf ihr Volk herab, auf den Tempel-Altären liegen die Reste der Blutopfer, … , nein manches will man sich doch nicht vorstellen. Man würde so gerne wissen wie es „wirklich“ ausgesehen hat und wird es doch nie erfahren. Das macht wohl die Faszination an solchen Orten aus. Sie sind da und begehbar, man stellt sich etwas vor, wird es aber nie bestätigt bekommen und so denkt sich der Geist immer neue Szenarien und Möglichkeiten aus. Man schaut sich immer mehr Relikte und Ausgrabungsgegenstände an, liest etwas darüber und fragt sich dann am Ende, warum es einen eigentlich interessiert, was irgendjemand am anderen Ende der Welt vor 2000 Jahren dort gemacht hat. Und trotzdem kann ich es kaum erwarten, später die Ruinen der Maya im Urwald von Guatemala zu sehen oder die der Inka in den Bergen von Peru.
 
Sylvester wird in Mexiko relativ unspektakulär gefeiert. Feuerwerk haben wir so gut wie keines gesehen. Wir verbringen den Abend mit Roxanas Familie, die ein großes Zusammentreffen geplant haben. Es gibt scharf gewürzte Tamales und später Garnelensuppe. Kurz nach 12 Uhr isst jeder seine 12 Weintrauben, von denen jede einen glücksbringenden Monat symbolisiert. Danach gratuliert jeder jedem mit einer Umarmung zum neuen Jahr, was in unserem Fall bei rund 40 Leuten einige Zeit in Anspruch nimmt.
Am das ersten Wochenende des Jahres fahren wir mit der Veronica, Sergio und Laura nach Morelia, doch dazu später mehr in einem anderen Beitrag.
 
Für den Abend des 8. Januar sind wir mit den Organisatoren des Projektes „amigos de los ninos“ verabredet, Venancio und Felipe. Bereits im Vorfeld unserer Reise standen wir mit „Der Stiftung für Helfer“ in Kontakt, die es Reisenden vereinfachen will, unterwegs an sozialen Projekten mitzuwirken beziehungsweise Spendengelder zu übergeben. Die „Amigos de los ninos“ sind eines dieser Projekte der weltweiten Datenbank, welches wir anfahren wollten. Im Verein werden Kinder aus sozial schwachen Familien unterstützt, damit sie am regulären Schulunterricht teilhaben können. Unsere aus Deutschland gesammelten Spenden investieren wir an diesem Abend in 11 neue Schulrucksäcke. Von dem Rest der 350€ kaufen Venancio und Felipe später Turnschuhe für die Kinder, da wir an diesem Abend die Größen noch nicht kennen. Einen ausführlicheren Bericht dazu gibt es hier.
 

 
Wir haben noch einen Tag, den wir gemeinsam mit Jorge und Roxana in der Stadt verbringen wollen, da wir aus Sightseeing-Sicht noch gar nicht viel von D.F. gesehen haben. Das Nationalmuseum für Anthropologie ist für seine umfangreiche Dauerausstellung über die indigenen Völker Mexikos bekannt und erscheint uns daher als guter Ausgangspunkt. Wir lernen einige erstaunliche Fakten über die Maya und Azteken (welche sich selbst als Mexica bezeichneten). Zuvor hatte ich zumindest noch nicht gewusst, dass die Maya ihre Schädel seit dem frühkindlichen Alter mit Hilfe von Holzklemmen zu einer konischen Form zwangen. Das „Juego de pelota mesoamericano“ war ein viel gespieltes Ballspiel, welches sowohl Sportveranstaltung als auch Ritual war. Nur durch Berührung mit Hüfte oder Oberarm musste versucht werden, einen Ball durch Zielringe oder an Markiersteine zu spielen. Der Ball war sehr schwer und hart, sodass gelegentlich Spieler an einer gebrochenen Hüfte oder anderen Verletzungen gestorben sind. Das Spiel wird auch oft mit Menschenopfern in Verbindung gebracht. Aus verschiedenen Quellen haben wir gehört das Verlierer oder Gewinner geopfert wurden, wobei es im zweiten Fall eine Ehre war. Mehr als 1000 solcher Ballspielplätze wurden bei den alten Ruinenstädten identifiziert. Ebenso sehen wir Opfersteine der Mexica (Azteken), auf denen Kinder im Alter von 6-7 Jahren geopfert wurden, um die Götter um Regen zu bitten. Kinder, die viel weinen, bringen nach der Opferung das Wasser vom Himmel.
 
Hier noch eine kurze Geschichte: Inmitten eines Sees im Tal von Mexiko, sahen die aztekischen Ankömmlinge einen Adler der auf einem Kaktus sitzend eine Schlange verschlingt. Dies sahen die Azteken als göttliches Zeichen und gründeten an dieser Stelle ihre Hauptstadt Tenochtitlán. Die Stadt wurde auf mehreren Inseln dieses Sees mit Dammwegen zum Festland hin erbaut. Heute befindet sich hier Mexiko-Stadt, den See gibt es bis auf kleine Überreste nicht mehr, da er von den Spaniern trocken gelegt wurde. Der Adler und die Schlange auf dem Kaktus bilden heute das Nationalwappen und finden sich auf der mexikanischen Nationalflagge wieder.
Im Anschluss an den Museumsbesuch schlendern wir zum Schloss Chapultepec und weiter durch die Stadt. Das Denkmal El Angel de la Independencia erinnert uns sofort an die Siegessäule in Berlin. Die umliegenden Hochhäuser in ihren Glasfassaden lassen das Stadtzentrum sehr modern erscheinen. Im Restaurantviertel gönnen wir uns einen amerikanischen Burger bevor wir zum Monumento Revolucion Mexicana weiter laufen. Man kann mit einem Fahrstuhl auf die Plattform unter der 67m hohem Kuppel fahren. Im Rundgang haben wir einen Blick nach allen Seiten auf die Stadt. Wir warten hier den Sonnenuntergang ab, auch wenn der kühle Wind uns hier oben zu schaffen macht.
 
Unsere letzenTage in D.F. verbringen wir mit Blog schreiben, Emails beantworten, einigen organisatorischen Dingen, Essen kochen, Motorölwechsel und verlieren uns ab und an im Internet. Das Internet hat natürlich auf solch einer Reise viele Vorteile, doch manchmal denke ich mir, dass ich ja meine Zeit eigentlich mit Reisen und nicht mehr mit dem Computer verschwenden wollte. Ansonsten geben wir bei Jorges Schwester Laura noch einen Vanillekipferl-Backkurs und lernen später im Gegenzug Salsa zu kochen (grüne Salsa besteht aus grünen Tomaten und grünem Chili, rote Salsa aus roten Tomaten und rotem Chili). Außerdem waren wir mit unseren Freunden im Kino, beim Billard spielen, haben Schokoladenfondue gemacht, waren Essen gehen usw., eben ganz normale Dinge, nur im „Mexican Style“. Nicht zu vergessen die abendliche Gesprächsrunde beim Tee, bei denen alle möglichen Gesprächsthemen aufkommen, wie zum Beispiel Bräuche in Deutschland. Besonders amüsant für Jorge und Roxana waren dabei das Maibaum stellen zum 1. Mai, Zuckertüten zum Schulanfang und der Männertag an Christi Himmelfahrt. Zur Geburtstagsfeier von Veronica sehen wir nochmal alle wieder und können mit unserem selbstgebackenen russischen Zupfkuchen eine kleine Freude bereiten.
 
Unsere Zeit in Mexiko-Stadt neigt sich nun dem Ende zu. Die Stadt hat besonders unseren Seh-, Riech- und Hörsinn gefordert, daher folgt hier nur eine kurze Zusammenfassung. Die Stadt ist so vielfältig, das man sie schwer beschreiben kann, am besten man hat sie selbst erlebt. Für das Auge gab es solch eine Vielfalt, das einem schon schlecht werden konnte: Moderne, verglaste Hochhäuser stehen im Kontrast zu heruntergekommenen Slums und Wellblechhütten. Monumente in Form von Statuen und Plattenbauten erinnern mich an Fotos aus der ehemaligen Sowjetunion. Archäologische Ausgrabungsstätten, Kirchen und Kathedralen, hübsche Plazas und Parks (z.B. Coyoacan), Bars, Clubs, Museen und Schlösser sind die Anziehungsmagnete für Touristen. Einzeln aneinandergereihte Geschäfte, kleine Verkaufsstände, Krimskramsläden, unglaublich viele Essbuden und Snack-Kioske aber auch schicke Einkaufsmalls sorgen für belebte Straßen. Werkstätten, einfache Hand-Autowaschanlagen und Bretterbuden aller Art formen ebenfalls das Stadtbild.
 
Sowohl kleine verschlafene Gassen als auch zwölfspurige oder mehr-etagige Straßen bilden das Verkehrsnetz. Ein Metrobus- und U-Bahnnetz sorgt für schnelle und relativ preiswerte Mobilität innerhalb der Stadt. Die Straßen werden befahren von ganz normalen Klein-, Mittel- und Oberklasse- Fahrzeugen, welche auch in Europa oder den USA zu finden sind, einigen Autos die scheinbar dem Schrottplatz entkommen sind, überdurchschnittlich viel gepanzerten Pickups, Taxis, unendlich vielen Bussen verschiedener Größen und vielen Roller- und Motorradfahrern ohne Helm. Straßenhindernisse sind unter anderem ungesicherte Baustellen, fehlende Gullideckel, vereinzelt liegengelassen Fahrzeuge, streunende Hunde, Händler auf Rädern oder einfach nur Stau. Offen herumliegender Müll jeglicher Art, selbstgemalte Werbeschilder, Plakate, Wand- und Bodenmalereien sowie Graffitis, welche die Kritik des Volkes an der Regierung zum Ausdruck bringen, runden das Stadtbild ab. So verschieden wie das äußere der Stadt sind auch die Menschen in dem unendlich großen Gewusel. Frauen tragen ihre Kinder in Decken gewickelt auf dem Arm (man sieht hier kaum Kinderwagen), Schuheputzer , Straßenkünstler an Ampeln, U-Bahnverkäufer (illegal), Geschäftsleute, Schulkinder, Studenten, Bauarbeiter, Bettler, Mariachis, Verkäufer aller Art und meistens ganz normale Leute… .
 
Für die Ohren sind besonders die Autos mit auf dem Dach angebrachten Lautsprechern auffällig, welche mit Melodien und Bandansagen auf ihre Ware (z.B. Wasser, Brot, Gasflaschen) auf sich aufmerksam machen. Wer keinen Lautsprecher hat schreit einfach seine Botschaft in die Gegend.
Die Nase hat mit Smog und Staub zu kämpfen. Aufgrund der Höhenlage von circa 2200m und dem ständigen Smog welcher die Stadt umhüllt, war uns öfter etwas schummrig. Der süße Duft von Churros ist verlockend, Fahrräder mit dampfenden Töpfen (Tamales usw.) fahren an uns vorbei. Die zahlreichen Comedores (Essbuden) verbreiten den Geruch von Fleisch, Tortilla und Salsa. Tote Hunde am Straßenrand, Müllberge und stinkende Gossen sind dann die weniger erfreulichen Geruchsquellen.
Die Liste an Eindrücken ließe sich unendlich fortsetzen und auch die Fotos können diese Welt nicht annähernd wiedergeben. Am besten man erlebt die Stadt selbst mit allen Sinnen.
 
Mit Unterbrechung durch die Ausflüge nach Oaxaca und Morelia, machen wir uns einen Monat nach unserer Ankunft in D.F. auf den Weg zu unserem nächsten Zwischenziel Puebla.
 
Ein großes Dankeschön an Jorge und Roxana und ihre Familien für diese einzigartige Zeit. Es hat uns großen Spaß gemacht mit Euch!
 


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