Monument Valley, Betatakin und Grand Canyon

25.-29.09.2014
 
Es ist ein beliebtes Motiv für Bikerfotos: am Ende einer langen, schnurgeraden Straße erheben sich die legendären Felsformationen des Monument Valleys. Auch wir wollen dieses Erlebnis nicht missen und fiebern diesem Naturwunder entgegen. Das Tal befindet sich im Indianerreservat der Navajo. Die US-Regierung hat den Indianern für die Reservate die wertlosesten Landstriche zur Verfügung gestellt, die sie finden konnte. Doch mit dem beliebten Touristenziel Monument Valley, haben die Navajos eine gute Einnahmequelle. Die 20€ Eintritt die man für Gruppen von 1-4 Personen verlangt, teilen wir uns mit einem anderen Paar, dass wir kurz vor dem Kassenhäuschen „kennengelernt“ haben.
 
Im Valley gibt es eine ausgeschriebene Rundstrecke, die man mit Privatfahrzeugen befahren darf. Aufgrund der knappen Zeit und der großen Hitze wollen wir uns nicht mit den Bikes über die sandige Piste quälen und suchen nach einer Mitfahrgelegenheit. Wir sind mit unserem Versuch zu trampen erfolgreich und Bill und Eileen aus Texas nehmen uns in Ihrem Pickup mit. Wir verbringen zwei lustige Stunden mit den beiden und Eileen schenkt uns am Ende zwei kleine Traumfänger. Leider haben wir nie die SMS von den beiden erhalten und konnten später nicht mehr mit Ihnen in Kontakt treten.
 
Im Museum der Navajo haben wir erfahren, dass die Navajos im Pazifikkrieg gegen Japan von Seiten der USA als sogenannte Code-Talker eingesetzt wurden. Die Indianer übersetzten die militärischen Befehle in ihre Muttersprache und entsprechende Codes. Ihre Sprache ist so einzigartig und mit keiner europäischen oder asiatischen Sprache verwandt, dass der Gegner sie nicht zu entschlüsseln vermochte.
 
Auf dem Weg zum Grand Canyon machen wir einen Übernachtungsstopp im Navajo National Monument. Dort gibt es einen Campingplatz mit Bad und Wasser, den man mehrere Nächte kostenlos nutzen darf. Daher entscheiden wir uns am nächsten Morgen für eine kostenlose geführte Tour, hinunter zum alten Höhlendorf Betatakin. Da wir in der Nebensaison hier sind, bekommen wir auch morgens einen Platz für die begehrte Tour mit dem Parkranger. Der lange Abstieg in den Canyon lohnt sich. Das Dorf in der Sandsteinhöhle wurde im 13. Jahrhundert circa 50 Jahre lang von den Anasazi, einer alten Indianerkultur, bewohnt. Die Höhle misst 110m Höhe x 136 Breite x 46m Tiefe und bot mit ihren 135 Räumen circa 75 bis 100 Menschen ein zu Hause. Die Anasazi betrieben im Canyon und oben am Canyonrand Landwirtschaft. Wahrscheinlich aufgrund einer langanhaltenden Dürre wurde der Wohnort schlagartig verlassen. Im Canyon gab es noch weitere bewohnte Höhlen, doch Betatakin ist nach 700 Jahren eines der drei sehr gut erhaltenen Dörfer. Vor unserem inneren Auge stellen wir uns vor, wie es vor langer Zeit hier wohl zugegangen sein mag.
 
Die Fahrt zum Grand Canyon ist durch den langanhaltenden und starken Wind unangenehm. Am Horizont sieht der Himmel außerdem recht düster aus. Das Gebiet ist touristisch so erschlossen, dass wir unser Zelt nicht einfach irgendwo hinstellen können und uns für den Zeltplatz Desert View entscheiden. Von dort aus laufen wir zum Canyonrand und schauen zum ersten Mal mit eigenen Augen in diesen gewaltigen Canyon, den wir bisher nur von zahlreichen Fotos kennen. Das aufziehende Unwetter zwingt uns allerdings bald zum Rückzug. Zum Glück finden wir schnell Unterschlupf unter dem Vorbau eines Ladens. Die Verkäuferin schreit aufgeregt zu den Leuten herüber, die immer noch im Blitzlichtgewitter über das Plateau spazieren. Sie erklärt uns später, dass hier jedes Jahr Leute vom Blitz erschlagen werden. Auch wir bekommen die Auswirkung der Blitze hautnah zu spüren. Zeitgleich mit einem Blitzeinschlag in nicht all zu weiter Ferne, merken wir wie uns die Harre im wahrsten Sinne des Wortes zu Berge stehen und konnten die Spannung richtig fühlen.
 
Zurück am Zelt wartet dann schon eine Bescherung auf uns. Der Boden unterm Zelt ist ordentlich pampig und es hat schon Wasser von unten in den Zeltinnenraum gedrückt. Die Nächte hier sind empfindlich kalt und auch der kühle Morgen bietet keine idealen Voraussetzungen um Kleidung zu trocknen. Daher brechen wir erst am späten Vormittag zu den bekannteren Aussichtspunkten an der South Rim auf, die ca. 25km entfernt liegen. Aufgrund des Massenansturmes kann man viele der Aussichtspunkte nicht mit dem eigenen Fahrzeug anfahren, sondern muss sich in einen der überfüllten, aber kostenlosen Shuttlebusse quetschen. Die Aussichten sind grandios.
 
Eigenartigerweise zählt der Grand Canyon dennoch nicht zu den Höhepunkten unserer Reise. Er ist zu unnahbar, zu weit weg und berührt uns daher vielleicht nicht so sehr wie erwartet. Wahrscheinlich hätten wir in den Canyon hinabsteigen müssen. Innerhalb von einem Tag ist solch eine Wanderung bis zum Canyon-Boden jedoch nicht möglich. Die begehrten Übernachtungsplätze sind teuer und müssen lange im Voraus gebucht werden. Unser Zelt ist für eine Tour ins sogenannte Backcountry auch zu schwer und wir haben keine Rucksäcke um entsprechendes Equipment zu tragen. Also belassen wir es bei den Aussichtspunkten von der Rim und kehren vielleicht irgendwann mal zurück, um den Canyon aus seinem Inneren heraus richtig zu erleben und zu begreifen.
 


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Utah – Canyonlands und Arches NP

19.-24.09.2014
 
Auf dem Highway werde ich immer müder, denn es ist so warm, dass selbst der Fahrtwind keine Kühlung mehr bringt. Beide ächzen wir inzwischen unter der prallen Sonne Utahs, die selbst im Schatten das Thermometer auf 35°C steigen lässt. Doch es gibt eine Entschädigung: zum ersten Mal sehen wir diese riesigen Steinwüsten mit ihren rot leuchtenden Felsen, die eine eigene bizarre Landschaft formen.
 
Hinter jeder Kurve eröffnet sich uns ein neuer atemberaubender Blick und wir müssen alle 500m anhalten, um die Landschaft auf uns wirken zu lassen und Fotos zu machen. In dieser Hitze zeigt sich jedoch besonders die Unverträglichkeit zwischen Motorradreisen und Fotografieren: es ist einfach zu heiß in der Sonne in der Motorradkleidung, um sich auch nur 10 Meter weiter zu Fuß zu bewegen oder sich auf die Kameraeinstellungen zu konzentrieren. Dennoch machen wir ständig Halt, sodass es schnell Abend wird und wir uns mit der Schlafplatzsuche ranhalten müssen. Auf einer Webseite mit Tipps für kostenlose Zeltplätze (www.freecampsites.net), haben wir Hinweise für gute Wildcampingplätze vor den Toren des Canyonlands Nationalparks gefunden. Tatsächlich finden wir nach längerem Hin und Her einen guten Platz im Hinterland am Rande einer Schotterstraße und verbringen am Ende fünf Nächte dort. Unser Lager befindet sich nämlich genau zwischen den beiden spektakulären Nationalparks (NP) Canyonlands und Arches NP in der Nähe von Moab. Von dort können wir Tagestouren in die Parks und zum Einkaufen in die Stadt machen, ohne jeden Tag einen neuen Zeltplatz suchen zu müssen. Glücklicherweise gibt es in den USA in den NPs immer Trinkwasserentnahmestellen, sodass wir immer frisches Wasser mit zum Zelt zurückbringen.
 
Bei der Einfahrt in den Arches NP bin ich von der Landschaft so überwältigt, dass sich ein richtiges Glücksgefühl einstellt, hier sein zu dürfen. Eine skurrile Felsformation jagt die nächste. Am Ende des Parks entscheiden wir uns für eine Wanderung im „Devilsgarden“. Wie so oft ziehen wir uns also auf der Straße im Sichtschutz von ein paar parkenden Autos für die Wanderung um. Wir wandern zum Landscape Arch, dem 2. längsten natürlichen Steinbogen der Welt (88m Spannweite) und bestaunen die anderen zahlreichen Steinbögen und „Fenster“.
 
Am nächsten Tag besuchen wir den Canyonlands NP. Eine circa 2km lange Wanderung entlang an der Rim, führt uns zum Grand View Point. Von dort haben wir einen Ausblick auf umliegende Canyons, weite Ebenen und Berge, der seinesgleichen sucht. Allerdings sehen wir auch eine große Unwetterfront auf uns zukommen. Das sieht gewaltig aus und da wir uns auf einem Plateau befinden, sollten wir uns besser vor dem Eintreffen des Gewitters aus dem Staub machen. Zurück am Bike fängt es auch schon an zu tröpfeln. Eigentlich wollten wir noch andere Teile des Parks besuchen, doch das fällt sprichwörtlich ins Wasser. Auf der Fahrt wird der Regen stärker und im Rückspiegel wird es immer dunkler – lieber schnell weg hier. Die vorher so schön kurvig zu fahrende Straße, die wir wieder zurück müssen, wird nun zur Geduldsprobe, denn dass Unwetter ist erstaunlich schnell. Bald hat sich der Himmel zu unseren Seiten auch schon zugezogen und wir geben so weit es geht Gas. Es gibt hier keine Unterstellmöglichkeiten also ist unser Zelt das Ziel.
 
Gerade noch bevor der Wolkenbruch einsetzt, schaffen wir es zum Zelt. Der Boden ist schon stark aufgeweicht und Wasser und Schlamm laufen unter den Zeltboden. Mit unserem Miniklappspaten versuchen wir einen kleinen Ablaufgraben um das Zelt herum zu buddeln. Dann liegen wir eine Stunde mit ohrenbetäubend lauter Geräuschkulisse im Zelt und warten ab. Plötzlich ist es ruhig. Nach einiger Zeit hören wir jedoch ein anderes Geräusch, das nicht so richtig hier hin passt. Ich ahne es schon und mache mich auf den Weg, um der Ursache auf den Grund zu gehen. Circa 50 Meter weiter verläuft nun eine reißende Schlammflut. An dieser Stelle hätten wir vor zwei Tagen fast unser Zelt aufgebaut, doch da der Boden zu steinig war, sind wir eine Ebene weiter hoch gezogen. Wir wissen, dass man nicht in ausgetrockneten Flussbetten zeltet, doch das diese Stelle der Wasserlauf für sogenannte Flash Floods (plötzlich auftretende Überflutungen) ist, haben wir beim besten Willen nicht erkannt.
 
Der neue Fluss schneidet uns nun auch den Rückweg zurück zur Zivilisation ab. Das ist aber nicht so schlimm, denn diese Flash Floods verschwinden innerhalb einiger Stunden, eben dann wenn das ganze Regenwasser abgelaufen ist. Ohnehin sind wir nun erstmal damit beschäftigt uns dieses Naturspektakel anzusehen. Wir wandern den Schlammfluss entlang in Richtung Canyon. Am Rande des Canyons verschlägt es uns fast den Atem: die gewaltigen Schlammmassen stürzen circa 100 Meter in die Tiefe. Das ist mal wieder ein Erlebnis völlig neuer Natur für uns. Gleichzeitig haben wir immer im Hinterkopf, was passiert wäre, wenn wir unser Zelt ein paar Meter weiter vorne aufgebaut hätten.
 
Tag 4 verbringen wir wieder im Arches NP, denn wir wollen noch zum weltberühmten Delicate Arch wandern. Allerdings ist der andere, einfach zu erreichende Aussichtspunkt wegen einer Schlammüberflutung vom Vortag noch gesperrt, sodass sich leider sehr viele Leute auch für diese Wanderung entscheiden. Eine Wegbeschreibung brauchen wir nicht, die Menschenschlange zieht sich bis zum Horizont. Ganze Busladungen von Asiaten scheinen unterwegs zu sein. Weiße Haut gilt in China als Schönheitsideal, sodass viele von ihnen langärmelige Pullover, Gesichtstücher und sogar Handschuhe tragen, um der Bräunung ihrer Haut durch die sengende Sonne zu entgehen. Wir fragen uns wie sie das in dieser Hitze aushalten. Oben am Ziel tummeln sich wie erwartet etliche Leute, so dass es schwer wird Fotos zu machen, bei denen der Steinbogen das Hauptmotiv darstellt.
 
Das, was wir wegen dem Unwetter im Canyonlands verpasst haben, holen wir am letzten Tag nach. So lernen wir in der Nähe des Upheaval Domes, einem großen Krater, Tatjana und Michi kennen, die beiden Abenteurer und Slot Canyon Wanderer aus Bayern. Wir werden sie später in Escalante wieder treffen und sie haben uns auf die wunderbare Idee gebracht Slot Canyons zu bewandern. Später treffen wir auch noch Reto und Andrea aus der Schweiz, welche uns nach einem längeren angenehmen Gespräch je eine kühle Cola schenken. Was für ein Genuss! Mit dieser kleinen Sache haben sie uns eine sehr große Freude gemacht, denn wenn man, so wie wir, monatelang nur wohltemperiertes Wasser trinkt, ist so eine kühle Cola wie eine kleine Geschmacksexplosion für uns. Nach fünf erlebnisreichen Tagen brechen wir nun nach Arizona auf.
 
Das Monument Valley und der Grand Canyon warten schon auf uns.
 


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Mount Evans

16. – 19. September

Am Abend fahren wir nach circa 330 Meilen auf der Interstate zu einem wunderschönen Zeltplatz inmitten zahlreicher Gesteinsformationen, die teilweise an das Elbsandsteingebirge erinnern. Gern hätten wir diese Gegend etwas mehr erkundet, aber das Wetter treibt uns an weiter in den Süden zu fahren. So fahren wir auch relativ untypisch für uns die nächsten Kilometer ohne viele Stopps und dies obwohl wir uns im Herbst im wunderschönen Colorado befinden. Die Farbvielfalt der Wälder ist dabei einfach genial und ehrlich gesagt, habe ich früher das eine oder andere Foto solcher Szenarien für unecht und nachbearbeitet gehalten, aber nun bin ich eines besseren belehrt wurden – die Farben sind großartig. Zwischendurch haben wir auch mal 85 Octan Benzin getankt, doch nachdem wir deutlich den Leistungsverslust der Motorräder gespürt haben, steigen wir wieder auf 87 Octan um. Die Maximalgeschwindigkeit lag nämlich plötzlich nur noch bei 110 km/h (von normalerweise 150) und das Beschleunigungsvermögen entsprach dem einer lahmen Ente.

Unser nächstes Ziel liegt etwa 70km entfernt von Denver und heißt Mount Evans. Mit einer Höhe von 4.350m gehört er zu den höchsten Bergen der USA und das Beste daran ist, dass man anhand einer asphaltierten Straße den Gipfel erreichen kann. Da es aber schon spät geworden ist, bleibt uns erst mal nichts anderes übrig als mal wieder einen Übernachtungsplatz zu finden. So fahren wir etwas an den Stadtrand Idaho Springs und fragen bei Matt und Adrienne ob wir unser Zelt für eine Nacht in ihrem Garten aufbauen können. Nachdem wir das Zelt aufgebaut haben, werden wir auch gleich zu leckeren selbstgebackenen Keksen eingeladen. Mit den Beiden unterhalten wir uns dann noch bis spät Abends, und dass obwohl Adrienne verdammt zeitig aufstehen muss. Am nächsten Morgen starten wir nach einem leckeren Frühstück mit Matt zu unserer Bergwanderung und sind guter Dinge, dass wir mit den Bikes noch bis zum Gipfel fahren können, denn in wenigen Tagen wird die Straße dort hin, wegen möglicher Schneefälle, geschlossen. Auch wir würden gern die Aussicht genießen und freuen uns auf einen entspannten „Aufstieg“ mit den Motorrädern. Bereits der Weg dort hin ist eine reine Augenweide. Viele Bäume mit gelb leuchtendem Laub säumen den Straßenrand und bilden einen sehr schönen Kontrast zu den restlichen grünen Laub- und Nadelbäumen. Deutlich verstärkt wird dieser Kontrast, wenn die Sonne das Laub von hinten durchleuchtet.

So schön die Farben auch sind, dass für uns nun Sichtbare verdirbt uns auf den ersten Blick gehörig die Laune. Wir sehen am Beginn der Auffahrt zum Gipfel ein Schild mit der Aufschrift „Closed“ (geschlossen). Auch das Schrankenhäuschen ist unbesetzt und lässt uns böses ahnen. Denn in den USA schließen viele Museen und Naturdenkmäler nach dem Labor Day. Wir schauen uns die Sache mal genauer an. Auf dem Schild wird ersichtlich, dass nur der obere Teil der Zufahrt gesperrt ist und wir zumindest bis zum Summit Lake fahren können. Deutlich ernüchtert führt uns nun die Straße immer weiter den Berg hinauf und hinter jeder Kurve vermute ich nun, dass die Fahrt gleich zu Ende ist. Aber die Fahrt zieht sich noch ordentlich hin. 4.350m an Höhe erklimmt man dann doch nicht so schnell. Von weiten sehe ich nun schon die Straßensperrung und bin etwas enttäuscht, dass uns der Rest vorenthalten bleiben soll. Deshalb dauert es eine Weile, bis das Panorama richtig auf uns wirken kann. Wir parken die Bikes und schauen uns ein wenig um. Dabei treffen wir auf ein polnisches Paar, welches sich dazu entschieden hat die letzten 5 Meilen der Straße hochzulaufen. Wir überlegen auch kurz und entscheiden uns dagegen. In einem kurzen Gespräch mit einem Ranger macht dieser uns den Mount Evans Trail schmackhaft, den wir dann auch in Angriff nehmen.

Wir befinden uns zu diesem Zeitpunkt bereits auf über 3.000m Höhe. Schnell tauschen wir die Motorradstiefel gegen Wanderschuhe und machen uns auf den Weg. Bereits nach dem ersten Aufstieg macht sich die Höhe bemerkbar und wir merken, dass wir ordentlich nach Luft japsen. Es nutzt nichts, wir wollen weiter. Teilweise können wir den Trail nur erahnen uns spätestens wenn wir an Stellen kommen, die dann doch nicht nach einem Trail aussehen, suchen wir wieder den richtigen Weg. Das Wetter meint es an diesem Tag gut mit uns und treibt die Temperatur zusätzlich in die Höhe. Eigentlich wollten wir ja nur schnell hochfahren und die Aussicht genießen, aber nun befinden wir uns auf einer Wanderung, die uns einiges abverlangt. Die grandiose Weitsicht und das Panorama mit dem Mount Evans entschädigen aber für diese Anstrengungen. So geht es Schritt für Schritt höher und höher und die Luft wird immer dünner. Dies bekommt vor allem Ulli zu spüren. Ihr macht die Höhenluft sichtlich zu schaffen. Hinzu kommt noch, dass der zuvor durch den Ranger als einfach beschriebene Trail immer felsiger wird. Die Wegemarkierungen fallen immer spärlicher aus und führen uns auf so manchen Umweg. Am süd-westlichen Hang kommen dann auch noch kleine Klettereinlagen über Steinblöcke hinzu, die auf Grund der Steilheit des Hangs einige Überwindung kosten. Die letzten Meter ziehen Wolken auf und sorgen mit einigen Schneeflocken zwar für etwas Abkühlung. Der Donner hingegen lässt unsere Besorgnis wachsen und wir fragen uns das ein oder andere Mal ob dies so eine gute Idee war. Wir entschließen uns weiter zu machen und meistern die letzten Meter zum Gipfel im Schneckentempo, aber wir sind da. Wir haben es geschafft.

Auf dem Gipfel treffen wir dann auch Evan aus Kanada, der uns kurze Zeit vorher überholt hatte, wieder. Gemeinsam mit ein paar anderen Wanderern genießen wir die wunderschöne Aussicht und essen dabei unseren mitgebrachten Kuchen. Da wir eigentlich davon ausgegangen waren mit den Bikes hier hoch zu fahren beziehungsweise weil der Ranger sagte, dass es ein leichter Aufstieg sei, nahmen wir den „Gipfelkuchen“ mit auf den Weg. Nachdem wir uns dann etwas von den Strapazen erholt haben, geht es wieder Berg ab, aber dieses Mal auf der Straße. Nach einem Fotoshooting mit einer Bergziege und nur einigen Metern auf der Straße zieht sich der Himmel schnell zu und es beginnt zu blitzen und hageln. Was nun? Da das Gewitter sich nicht unmittelbar auf uns zubewegt entscheiden wir uns weiter zu gehen und den Hagel in Kauf zunehmen. Mitten im Hagelsturm treffen wir dann auch noch auf eine Herde Bergziegen. Zum Glück hört der Hagel auf und wir können auch hier noch einige Fotos machen. Dann geht es aber unaufhaltsam Berg ab. Fast am Parkplatz angekommen, merke ich wie mir die Sonne zusetzt, aber nun ist es fast schon zu spät. Leichte Kopfschmerzen machen sich bemerkbar, aber da muss ich nun durch. Gleich ist es geschafft. Aus der Ferne sehen wir bereits die Motorräder und freuen uns, dass diese noch an Ort uns Stelle sind. Da uns diese Wanderung deutlich mehr Zeit gekostet hat als geplant und wir ziemlich erschöpft sind, entscheiden wir uns nicht mehr zu unserem für heute geplanten Ziel zu fahren. Schweren Herzens fragen wir erneut bei Matt und Adrienne nach ob wir nochmals ihre Gastfreundschaft in Anspruch nehmen können. Wie selbstverständlich sagen die Beiden abermals „ja“ und lassen uns in ihrem Garten campen.  

Black Canyon of the Gunnison

Am nächsten Morgen (Donnerstag, 18.09.) fahren wir zeitig weiter zum Black Canyon of the Gunnison. Dabei durchfahren wir nochmals schöne Teile Colorados und sind etwas traurig, dass wir hier nicht mehr Zeit verbringen. Auf dem Weg zu unserem heutigen Ziel fahren wir auch über den Monarch Pass, der direkt auf der Kontinentalscheide (Continental Divide) liegt. An dieser Stelle entscheiden nur wenige Zentimeter ob Regenwasser in den Atlantik oder Pazifik fließt. Am Abend campen wir auf einem zum Black Canyon of the Gunnison zugehörigen Zeltplatz und treffen beim Abendessen am Sunset Point des Canyons auf Dan aus Calgary. Er ist mit seiner KLR (ein hier weit verbreitetes Motorradmodell von Kawasaki, ähnlich wie unserer Tenere) von Kanada nach Zentralamerika gefahren und nun auf dem Rückweg. Wenn das keine perfekte Gesprächsgrundlage ist? So sehr ins Gespräch vertieft, verpassen wir auch fast den Sonnenuntergang. Am Folgetag gehen wir dem Canyon auf den Grund und fahren eine steile Straße herunter ins Tal. Es ist schon beeindruckend wie unterschiedlich ein und derselbe Canyon aus den verschiedenen Perspektiven aussieht. Wieder oben angekommen, besuchen wir noch einige sehenswürdige Punkte des Canyons, wie die Painted Wall und den Chasm Point. Dann heißt es für uns Aufbruch nach Utah.


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Powerfrau und Teufelsberg

Nach fast zwei Wochen bei Roger und Janet auf der Ranch, satteln wir wieder unsere Bikes. Gerne wären wir noch länger geblieben, aber die Zeit und auch der Winter sitzen uns im Nacken. Zum einen läuft Anfang Dezember unser Visa aus, und zum anderen rückt das kalte Wetter aus dem Norden immer weiter nach Süden. Unser Zielort heute ist Buffalo in Wyoming. Diese kleine historische Westernstadt liegt etwas mehr als 200 Meilen südöstlich unserer derzeitigen Position. Zu den rund 4.000 Einwohnern zählen auch Lou und Brent Braten, unsere nächsten Gastgeber.

Mehrere Routen führen uns zu unserem Ziel, aber da wir eine Schlechtwetterfront erwarten, entscheiden wir uns den Weg über den Bighorn National Forrest zu meiden und fahren nahezu die gesamte Strecke auf den vielbefahrenen Highways. Für etwas Abwechslung in dieser eintönigen Fahrt sorgt der Besuch beim Little Bighorn Battlefield National Monument. An diesem historischen Ort wurde am 25. Juni 1876 George Armstrong Custer und sein Kavallerieregiment von Indianern der Arapaho, Cheyenne und Lakota-Sioux unter der Führung von Sitting Bull, Crazy Horse und Gall besiegt. Die war einer größten Siege der Indianer gegen die U.S. Army. Die Grabsteine stehen heute an den Orten, an denen die Soldaten und Custer gefallen sind.
Ein kurzer Film im Informationscenter zeigt uns anschaulich den Hergang der Schlacht, aber beleuchtet ebenso wie es dazu gekommen ist. Sicherlich hatten wir in der Vergangenheit schon davon gehört, aber hier zu stehen und die Geschichte so detailliert und anschaulich erzählt zubekommen ist schon etwas anderes. Generell erkennen wir zunehmend, wie elend den Indianern in dieser Zeit mitgespielt wurde und sind erstaunt, dass dies in der Geschichte der USA nur noch so wenig Beachtung findet.

19.30 Uhr erreichen wir endlich Buffalo und werden von Lou und Brent herzlichst willkommen geheißen. Lou ist die Mutter von Gail und ist mit ihren 90 Jahren noch extrem fit, was sie uns am nächsten Morgen (Dienstag, 9. September) bei einem Besuch im örtlichen Schwimmbad eindrucksvoll beweist. Gemeinsam mit ihr machen wir einige Übungen, die auch unseren Körpern sehr gut tun. Im Schwimmbad werden wir von Ed für Mittwoch zum Mittagessen mit seiner Frau eingeladen. Brent ist einer der jüngeren Brüder von Gail und verköstigt uns mit seinen leckeren selbstgemachten Bagels, die durch das Gewürz Tumerick einen besonderen Geschmack erhalten. Gemeinsam mit ihm gehen wir zur örtlichen Post, da wir endlich mal ein Paket in die Heimat schicken wollen. Einige Erinnerungsstücke und selten gebrauchte Kleidung, wie das Thermo-Futter der Motorradkleidung sollen endlich aus unserem Gepäck verschwinden, um mehr Platz für wichtigere Dinge zu haben. Aber ein Paket nach Deutschland zu schicken ist gar nicht so einfach wie gedacht. Die Zollbestimmungen haben es echt in sich, ganz zu schweigen von den horrenden Versandkosten. Wenn man nicht richtig aufpasst, kann man schnell mal 180 Dollar für ein circa 2,5kg schweres Päckchen loswerden. Der lokale Postbeamte ist alles andere als hilfreich. Im Gegensatz zu unseren bisher gemachten Erfahrungen in den USA ist hier der Servicegedanke ein absolutes Fremdwort.

Am Mittwochmorgen steigern wir gemeinsam Lou abermals unsere Fitness und lassen es uns im Schwimmbad gutgehen. Es tut mal wieder richtig gut den gesamten Körper etwas zu fordern. Richtiger Sport kommt auf der Reise viel zu kurz, aber das liegt meistens an uns selbst. So vergeht der Vormittag wieder viel zu schnell. Mittags fahren wir zu Ed und Brenda zu ihrem Haus am See und lassen uns mit einem europäischen Mittagessen verwöhnen. Leckere Pizza und ein schmackhafter Salat füllen unseren Energiehaushalt, ebenso wie die selbstgebackenen Kekse nach extra deutschem Rezept. Am Abend schauen wir uns gemeinsam mit Lou und Brent einen weiteren Teil der Dokumentarserie „How the West was lost“ an und erweitern unseren Einblick in die amerikanische Geschichte.
Sprichwörtlich über Nacht ereilte uns eine „weiße Überraschung“ – 28cm Schnee warten draußen auf uns. Zum Glück stehen unsere Motorräder in der großen und geräumigen Garage. Und zum Glück müssen wir bei dem Wetter nicht auf der Straße sein. Dafür heißt es aber den Schnee von den Bäumen zu klopfen, da unter dem Gewicht die Äste reihenweise abbrechen. Auch die Feuerwehr geht dieser Betätigung nach, da scheinbar einige Äste auf die Stromleitung gefallen sind. Dies ist dann wohl auch der Grund, warum wir ohne Strom sind. Nachdem wir die Bäume von ihrer unerwarteten Last befreit haben, konnten wir uns eine Schneeballschlacht im Garten nicht verkneifen. Doch plötzlich bricht unter lautem Krach ein dicker Ast von einem Baum, der direkt am Haus steht, ab und fällt in den Garten, unweit von uns. Das war ein guter Schreck, aber nichts ist passiert, weder Haus noch uns. Lou lädt uns später zu einem Besuch ins Jim Gatchell Memorial Museum ein. Die kurze Geschichte Amerikas zieht uns besonders mit ihren Cowboy-, Abenteurer- und Pioniergeschichten in ihren Bann. Natürlich haben wir auch zu Hause schon mal den einen oder anderen Western gesehen, aber nun wo wir hier sind, wirkt das alles viel intensiver auf uns. Das Museum ist recht klein, aber dennoch interessant. Klar ist unsere Reise nicht mit den Abenteurern und Pionieren der damaligen Zeit zu vergleichen, aber gewisse Parallelen gibt es manchmal. Auch wir wissen oftmals nicht, was uns am kommenden Tag erwarten wird und haben gelegentlich Strecken zu meistern die es in sich haben. Im Anschluss zeigt uns Lou ihre ehemalige Arbeitsstelle im örtlichen Krankenhaus. In diesem modernen Gebäude kennt sie nahezu jeder und begrüßt uns sehr freundlich. In so einem eher kleinen Ort, hätten wir eine solch gut ausgestattete Einrichtung nicht erwartet. Hier hat man uns gegenüber (in Deutschland) echt etwas voraus. Nach einem kurzen Besuch im historischen Occidental Saloon lassen wir den Abend mit dem amerikanischen Western Tombstone aus dem Jahr 1993 ausklingen. Mittendrin meint Lou, dass wir für den morgigen Tag zwei Möglichkeiten haben. Entweder wir machen nichts und entspannen oder wir machen uns auf den Weg nach Mount Rushmore. Wow – Die Frage haut uns fast um. Ungläubig schauen wir uns an, denn zum einen haben wir ja Mount Rushmore zu Gunsten einiger Tage mehr bei Roger und Janet von unseren Zeitplan gestrichen und zum anderen reden wir hier von einem Eintagestrip mit circa 860km Fahrerei, den uns die 90igjährige Lou vorschlägt.

Lange überlegen müssen wir nicht, so starten wir zeitig am Freitagmorgen mit Lou und Brent zu diesem Ausflug. Unterwegs schauen wir uns auch noch den Devils Tower an. Dieser 265m hohe Fels hebt sich stark von seiner Umgebung ab, denn quasi senkrecht gehen die Felswände empor und um ihn herum befinden sich nur ebene Flächen. Keine weitere Erhöhung ist weit und breit um diesen mysteriösen Felsen zu sehen, sodass selbst Forscher nur ungefähr vermuten können, wie die Entstehung dieses Gebildes abgelaufen ist. Nach der Umrundung des Felsens geht es weiter zu einem der Wahrzeichen der USA schlecht hin – Mount Rushmore. Es wird kein Eintritt für den Besuch dieses Wahrzeichens verlangt, doch werden uns erst mal 11 Dollar Parkgebühren abgenommen. Ich weiß nicht wie oft wir diese Gesichter in Filmen und auf Fotos gesehen haben, aber umso größer sind auch unsere Erwartungen an diese gewaltigen Porträtköpfe. Aber wie es manchmal so ist, können die vier Herren nicht mit unseren Erwartungen mithalten. Die Filmmacher und Fotografen haben gute Arbeit geleistet und haben uns ein deutlich imposanteres Bild dieser Köpfe vermittelt. Nun wo wir es live sehen kommt uns dieses Kunstwerk deutlich kleiner vor. Eindrucksvoll ist diese Arbeit aber dennoch. Dargestellt sind von links nach rechts die Präsidenten George Washington (1. US-Präsident), Thomas Jefferson (3.), Theodore Roosevelt (26.) und Abraham Lincoln (16.). Auf dem Rückweg machen wir noch mal einen kurzen Stopp und schauen uns die Milchstraße an, da wir hier fernab großer Städte sind und es hier nur wenig Lichtverschmutzung gibt. Dann geht es aber schnell weiter nach Buffalo.

Am nächsten Tag kommt Roger (der Sohn von Lou) zu Besuch und bringt „etwas“ Beef vorbei. Auf der Ladefläche seines Trucks liegen mehrere große Säcke mit den „Beef-Portionen“. Es ist etwa die Hälfte einer der Kühe von Katie, die für den Eigenbedarf geschlachtet wurde. So viel Beef haben wir noch nie in einer Kühltruhe gesehen, nicht einmal im Supermarkt. Wir freuen uns, dass wir noch ein wenig mit Roger sprechen können und lassen einige Erinnerungen von den Tagen bei ihm wieder aufleben.
Sonntag machen wir uns mit Lou auf einen besonderen Ausflug – es geht zum Crazy Woman Canyon. Durch den Schnee ist die ohnehin schon anspruchsvolle Strecke durch den Canyon matschig und noch schwieriger zu befahren, aber Lou meistert diese Strecke, als ob sie dies jeden Tag machen würde. Dies ist dann auch unsere letzte Unternehmung in Buffalo, denn am Montagmorgen fahren wir weiter, um den immer näher rückenden Winter zu entgehen.

 


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You have to think like a cow – Teil 2

Das Leben auf einer Ranch ist nicht einfach. Roger und Janet arbeiten meistens von früh morgens bis spät abends, ohne richtiges Wochenende und hatten seit elf Jahren keinen Urlaub mehr. Je nach Jahreszeit folgt die Arbeitsbelastung dem Rhythmus der Natur. Die körperliche Arbeit ist schwer, vom Eimer schleppen über Bewässerungsrohre ausrichten hin zu Einfangen von Kühen vom Pferd aus mit dem Lasso oder Kälber impfen und markieren. Selbst das Schwingen einer Peitsche erfordert viel Kraft, was wir selbst durch Ausprobieren erfahren durften. Alle Probleme die Auftreten, wie das Kaputtgehen eines Arbeitsgerätes, Verfallen von Zäunen, sture Jungbullen usw., müssen selbst gelöst werden. Roger erklärte uns, um eine Ranch zu betreiben und damit zu überleben, muss man alles sein: Cowboy, Farmer, Tierarzt, Mechaniker, Klempner, Wettervorhersager, Pferdeversteher, Hufschmied, Gärtner, Zimmermann, … . Es gibt in allen Bereichen immer etwas zu tun. So erleben wir es auch in den Tagen auf der Farm, jeden Tag gibt es neue Aufgaben, neue Probleme. Wir haben Respekt vor dem was die beiden leisten und können müssen. In Deutschland heißt es ja oft der „dumme Bauer…“, doch wir haben hier gegenteiliges gelernt.  
 
So ging bei uns weiter:
 
Tag 6 – Di, 02.09.2014
 
Wir holen mit Hilfe einer hydraulischen Vorrichtung eine Fahrzeugachse vom Feld und fahren anschließend nach Billings, eine Stadt circa 1 Stunde Autofahrt entfernt, um zwei platte Traktorreifen reparieren zu lassen. Dort besuchen wir auch Roger und Janets Kinder Wilkie und Katie an ihren Colleges. Am Abend sind wir wieder mit Heuballen Transport beschäftigt, bevor wir für Roger und Janet ein Abendessen kochen.
 
 
Tag 7 – Mi, 03.09.2014
 
Wie fängt man auf dem Feld 14 Pferde mit einem einzigen Auto? Roger macht es uns vor. Ein Nachbar hatte ihm Bescheid gegeben, dass seine neun Pferde durch einen kaputten Zaun von ihrer Weide ausgebrochen sind. Weitere fünf Pferde von einem anderen Nachbarn haben sich auf der Nachbarweide dazu gesellt. Speziell diese fünf Pferde sind nicht leicht zu handhaben, da mit ihnen noch nicht gearbeitet wurde. Der erste Schritt ist also alle Pferde auf eine Weide zu bekommen und sie dann gemeinsam zum Verschlag zu bringen. Wir scheuchen also mit dem Truck die fünf Pferde des Nachbarn in Richtung Tor zur anderen Weide, wo bereits Stephan mit Rogers Pferden zum Tor gelaufen kommt. Leider entscheiden sich Rogers Pferde plötzlich dazu, in unsere Richtung zu stürmen und somit rennen die fünf ungebändigten Pferde wieder zurück aufs Feld. Nun können wir wieder von vorne anfangen. Durch geschicktes umherpreschen mit dem Truck auf dem Feld, schafft es Roger sie in die richtige Richtung zu lenken. Er weiß also nicht nur wie Kühe denken, sondern kann auch das Verhalten der Pferde gut vorhersagen. Letztendlich schaffen wir es alle Tiere ins Gehege zu treiben.
 
 
Tag 8 – Do, 04.09.2014
 
Wir sehen vertrauenswürdig genug aus, dass uns Roger einmal seine Gewehre und Revolver ausprobieren lässt. Wir üben also Zielschießen auf Dosen, Flaschen und eine Pappschachtel. Anfangs der Reise dachte ich noch es wird wohl kaum einen amerikanischen Haushalt geben, der nicht eine Schusswaffe hat. Mittlerweile glaube ich, dass es kaum einen amerikanischen Haushalt gibt, der nur eine Schusswaffe hat. Jedenfalls starten wir mit dem halbautomatischen Kurzdistanz-Gewehr. Danach folgt ein kleiner Revolver mit 22er Kaliber, ein Spielzeug im Vergleich zur 44er Magnum. Diese muss man schon gut festhalten, damit sie nach dem Abschuss nicht nach hinten wegfliegt, der Rückstoß ist ordentlich und geht durch den ganzen Körper. Auch die Winchester sollte man gut festhalten und an die Schulter pressen. Eine weitere Steigerung ist dann das Langdistanz-Gewehr mit Standfuss und Zielrohr . Zum anvisieren und schießen liegen wir auf dem Boden. Diese fünf Gewehre und Revolver sind nur ein Teil des Bestandes an Schusswaffen auf der Ranch. Für uns Deutsche erscheint dies seltsam, ebenso wie der Sachverhalt, dass man Gewehre im Supermarkt kaufen kann. Für den Großteil der Menschen hier sind Schusswaffen ein Jagd- oder Sportgerät. Es ist hier nicht unüblich, selbst für das Fleisch auf dem Teller zu sorgen. Solange man dies für den eigenen Fleischbedarf macht und nicht für die Zierde an der Wand, erscheint es mir ebenso legitim, wie in den Supermarkt zu gehen, und sich dort das Fleisch von dem Tier zu kaufen, was Andere für einen getötet haben. Viele Leute hier lernen von klein auf, mit Waffen umzugehen. Es ist für sie wie ein Arbeitsgerät – ein Werkzeug, sie kennen die sichere Handhabung. Mit einem Küchenmesser kann man Zwiebeln schneiden oder auf jemanden einstechen. Mit einem Auto kann man von A nach B fahren, oder rücksichtslos umherrasen und Unfälle provozieren. Dennoch finde ich es sehr fraglich, dass hier viele Leute zur „Selbstverteidigung“ versteckt eine Waffe bei sich tragen, wenn sie auf der Straße unterwegs sind. Senkt es wirklich die Kriminalitätsrate, wenn jeder eine Waffe hat und sich somit die „Bösen“ aus Angst vor Gegenwehr nicht trauen Leute auszurauben? Hier also im Umkehrschluss der Vorschlag an unsere Bundesregierung: Schusswaffen legalisieren, das senkt die Kriminalitätsrate… .    
 
 
Tag 9 – Fr, 05.09.2014
 
Am Vormittag müssen wir erneut die Pferde einfangen. Diesmal sind sie soweit in den Hügeln, dass wir hier mit dem Truck nicht weiter kommen. Roger macht sich mit einem Eimer Futtergetreide auf den Weg und gewinnt so das Vertrauen einiger Tiere. Einige Tiere folgen ihm und der Herdentrieb sorgt dafür, dass noch weitere nachkommen. Kein Pferd steht gerne alleine auf der Weide. Während Roger also die Pferde einsammelt, kümmern wir uns mit einem Nachbarn darum den Stacheldrahtzaun zu reparieren. Der Mann hat bei einem Arbeitsunfall eine Hand verloren, an deren Stelle sitzt nun ein Metallgreifer. Geschickt wickelt er damit den Stacheldraht und es ist wie immer in solchen Situationen: schaut man hin, kommt man sich vor als würde man gaffen, schaut man weg sieht es eben nach Wegschauen aus. Im Hinterkopf denkt man darüber nach, wie jemand so den Arbeitsalltag auf einer Ranch meistert. Nach der ersten halben Stunde sind vier Pferde am Truckende angeleint, nach einer weiteren halben Stunde alle neun. Während Stephan den Truck zurück zum Verschlag fährt, führen Roger und ich die Pferde an der Leine zurück zu ihrem Stall. Eine dreiviertel Stunde Fußmarsch über Feld und Hügel mit drei freundlichen Pferden an der Leine zählt dann für mich doch zu den besonderen Erlebnissen. Stephan konnte derweil neue Erfahrungen im Off-Road-Fahren machen, denn die Weiden auf denen wir uns befinden, sind alles Andere als eben. So durfte er den Pickup entlang steiler Böschungen herunter und herauf fahren, um dann wieder auf die Straße zu gelangen.
 
Am Nachmittag sammeln wir mit Hilfe des Traktors die schweren Rohre des Bewässerungssystems vom Feld und ziehen die Wasserpumpe aus dem Creek. Zur Belohnung gibt es Janets Spezial-Marshmellow-Schokoladen-Crisp-Kuchen. Da wir bisher nur Stacheln von Stachelschweinen gesehen haben, wir aber noch keines haben rumlaufen sehen, fährt Roger in der Nacht mit uns aufs Feld um im Scheinwerferlicht welche zu suchen. Tatsächlich, da wackeln sie mit ihrem riesigen Stachelhintern übers Feld. An einem der letzten Tage hatte auch der Hund Tom nochmal das Vergnügen gehabt, seine Schnauze in ein Nadelkissen zu verwandeln. Gleiche Prozedur, gleiche Quälerei.    
 
 
Tag 10 – Sa, 06.09.2014
 
Heute ist mal Wochenende. Wir machen unseren zweiten Ausritt. Diesmal geht es richtig ins Gelände über Stock und Stein. Wir klettern mit den Pferden felsige Pfade hoch und runter und müssen uns unter Bäumen ducken. Zunächst war ich etwas skeptisch ob wir das schaffen, doch dann macht es richtig Spaß. Später fahren wir mit Roger und seiner Tochter Katie zur „Truck Pull Championship“ in Red Lodge. Aufgepimpte Pickup Trucks ziehen auf sandigem Boden in verschiedenen Gewichtsklassen einen speziellen Schlitten hinter sich her. Wer die meiste Strecke macht gewinnt. So werden wir Zeugen eines etwas außergewöhnlicheren US-Sport. Anschließend fahren wir auf die Weide, auf die wir vor einigen Tagen die Kühe gebracht haben und prüfen, ob alles in Ordnung ist.
 
 
Tag 11 – So, 07.09.2014
 
Es ist unser letzter Tag und so reiten wir noch ein letztes Mal ins Gelände (Roger mit Turbo, Stephan mit Showdown, Ulli mit Scarlet) Wir reiten zunächst über das Feld hinter die Ranch auf einen Hügel. Das durch die Abendsonne goldfarben leuchtende Grass biegt sich sanft im Wind und der Sagebrush verbreitet seinen angenehmen Duft. Circa 500m entfernt steht ein Hirsch der uns argwöhnisch beobachtet und dann im Busch verschwindet. Zwischen knorrigen Nadelbäumen geht es wieder steinige Anstiege hinauf und hinunter. Diesmal reiten wir ohne Führungsleine, wir führen unsere Pferde selbst durch die für uns Anfänger etwas schwieriger zu bereitende Landschaft. Die Hunde Tom und Jerry begleiten uns dabei. Hoffentlich werden die Pferde von keiner Klapperschlange aufgeschreckt. Vom Hügel aus haben wir einen wunderschönen Blick in die Ferne, auf die hügeligen gelbfarbenen Weiden Montanas, in deren Hintergrund die Prior Mountains und die Bergkette aufragen, die wir von Yellowstone aus mit dem Beartooth Pass überquert hatten. Das Wasser des Cooney Damn glitzert in der Sonne. Es ist einer dieser Momente und Anblicke, die sich hoffentlich für ewig ins Gedächtnis brennen. Zurück in der Ranch reiten wir noch etwas auf dem Platz. Nachdem wir die Pferde abgesattelt haben, gehen wir über den Creek zurück zum Farm Haus. Es ist inzwischen schon dunkel und fast Vollmond.
 
Am Morgen war das Hühnerhaus umgezogen. Die Hühner sind nun verwirrt und kehren zur Nachtruhe nicht in ihr Haus zurück. Stattdessen glucken sie irgendwo zwischen den Landmaschinen. Wir sammeln alle ein um sie zu ihrem Haus zu bringen. Mit je zwei Hühnchen unterm Arm, spazieren wir so im Mondlicht mehrmals über den Hof. Das war unsere letzte erinnerungswürdige Aktion auf dem Hof, denn am nächsten Tag reisen wir ab.   Der kommende Winter und das begrenzte Aufenthaltsvisum zwingen uns weiter zu fahren, auch wenn wir eigentlich gar nicht mehr weg wollen. Wir hatten ja sogar den geplanten Umweg zu Mt. Rushmore und Devils Tower gekippt, um noch zwei Tage länger bleiben zu können. Was sind schon ein paar Felsbrocken gegen solch eine Erfahrung? Wir haben eine großartige Zeit auf der Ranch mit Roger und Janet gehabt und es ist definitiv ein Highlight auf unserer Reise. Wir haben viel von den beiden gelernt, waren viel draußen, haben mit Tieren gearbeitet und wurden von Janets ausgezeichneten Back- und Kochkünsten verwöhnt. Jeder Tag war anders und bot uns neue Überraschungen. Wir haben gelernt wie man Traktor fährt, Zäune repariert, Kühe verlädt, Pferde sattelt, Peitschen schwingt, Stacheln aus Hundeschnauzen zieht, Heuballen lagert usw. Wir haben Roger und Janet sehr zu schätzen gelernt und uns bei Ihnen sehr wohl gefühlt. Wir haben viel gemeinsam gelacht, aber auch interessante Themen diskutiert.
 
Roger und Janet, Danke Euch vielmals für diese erlebnisreiche und tolle Zeit!
 
 
 


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